Unser Leben Im Lied (06) - Lieder Und Chansons Dargeboten Von Cipé Lincovsky & Fania Fénelon

Unser Leben Im Lied (06) - Lieder Und Chansons Dargeboten Von Cipé Lincovsky & Fania Fénelon

6 - UNSER LEBEN IM LIED

Der Brief (Volkslied)
Rejsele (Resele)
Text und Melodie: M. Gebirtig

Drei Schwestern (Volkslied)
Partisanenlied
Text: H.  Glik

S'brent (Es brennt)
Text und Melodie: M. Gebirtig

S'drimlen Foigl oif di Zweigen
Text: L. Rudnicki

S'falt a Schnei (Volkslied)
Mechututonim Gejen
Text und Melodie: M. Warschawski
Cipe Lincovsky, Gesang
Nathan   Notowicz,  Klavier

In der Finster
Instrumentalgruppe

Wer der Erschter wet lachn
Text und Melodie:  M. Gebirtig
Instrumentalgruppe
Cipe Lincovsky, Gesang

Comptine du quai aux fleurs
(Fenelon/Aragon) Kurt Borack, Klavier

Mon accordeon (Fenelon)
Instrumentalgruppe
Leitung: F.-H. Heddenhausen

Le sentier de la  guerre  (Monot/Nougaro)
Solistenensemble Henry Kaufmann

Bombardiers (Fenelon)
Instrumentalgruppe
Leitung:  F.-H.  Heddenhausen

Dans le desert glace (Fenelon)
Instrumentalgruppe
Leitung:  F.-H.  Heddenhausen

Revenir (Carr/Poterat)
Instrumentalgruppe
Leitung: F.-H. Heddenhausen
Fania   Fenelon,   Gesang

Die in Buenos Aires geborene Cipe Lincovsky ist bei uns durch ihr Gastspiel als Bluma Rubiner in Thomas Harlans Chronik aus dem Warschauer Ghetto „Ich selbst und kein Engel" bekannt geworden. Helene Weigel holte sie dann zu einem Recital ins Berliner Ensemble. Mit diesem Programm ist die Künstlerin in vielen Städten unserer Republik erfolgreich aufgetreten, und die Zuschauer des Deutschen Fernsehfunks konnten sie als „Heilige Johanna von Amerika" in dem Drama des argentinischen Schriftstellers Andres Lizzaraga kennenlernen.
Cipe Lincovsky ist Mitglied des jiddischen Theaters in Buenos Aires. Dieses Volkstheater wurde 1933 von Emigranten gegründet und hat heute ein festes Haus mit 740 Plätzen. Cipes Vater gehört zu den Mitbegründern des Theaters, und sie selbst hat hier unter anderem die stumme Kathrin in Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder", die Abigail in Arthur Millers „Hexenjagd" und die Mascha in Tschechows „Drei Schwestern" gespielt. Cipe Lincovsky ist Schauspielerin, Pantomimin und Diseuse. Ihre Verwandlungsfähigkeit und Gestaltungsskala sind außergewöhnlich vielseitig. Ihre tiefe, anziehende, zarte Stimme mit all ihrem Modulationsreichtum vom Komischen zum Gefühlvollen, vom Kindlichen bis zum Kämpferischen sind schon klanglich ein Erlebnis von fesselnder Intensität. Auf dieser Platte sind vor allem Interpretationen jiddischer Lieder vereinigt, die meisten in Bearbeitungen von Nathan Notowicz. Das im Warschauer Ghetto entstandene Partisanenlied verdient dabei - neben der eigenartigen Schönheit der jiddischen Volkslieder — besondere Beachtung.
Fania Fenelon ist zu Recht oft mit Yvette Guilbert verglichen worden. Wir erinnern uns, daß Yvette Guilbert nach dem 1. Weltkrieg als erste französische Künstlerin Deutschland besuchte und in Berlin einen großen Triumph feierte, nicht nur als Diseuse, sondern auch als Botschafterin des Friedens. Herbert Ihering überschrieb 1925 seine Rezension über das Auftreten der Guilbert mit: „Das Locarno der Kunst". Fania Fenelon war die erste französische Künstlerin, die nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland kam, eine Botschafterin des Friedens mit ganz besonderer Berufung: Sie hatte Nazideutschland in den Konzentrationslagern von  Bergen-Belsen und Auschwitz kennengelernt. Doch sie kam in die Deutsche Demokratische Republik, wo die nazistische Vergangenheit durch die antifaschistischen Kräfte unter Führung der Partei der Arbeiterklasse bewältigt worden war. Hier fand Fania Fenelon politische und künstlerische Freunde. Und so blieb es nicht bei einem einmaligen Gastspiel — die Gastspiele Fania Fenelons gehören vielmehr zu den Ereignissen, die ihren festen Platz im Kulturleben unserer Republik haben. Fania Fenelons Kunst ist das Chanson: Dieses einzigartige Phänomen französischen Geistes, von dem Pierre-Jean de Beranger sagt:
Soweit kann keines Redners Wortkunst tragen; so hoch hinauf reicht keines Königs Macht; Musik und Verse haben das vollbracht; denn ein Chanson ist einfach nicht zu schlagen. Und im Sinne Berangers pflegt Fania Fenelon das Chanson: Vom stillen Lyrismus des Chanson d'amour bis zur aufrüttelnden Agressivität des Chanson engagee, des politischen Chansons, vom noch in Gregorianik aufgezeichneten Trouvere-Lied Adam de la Halles des 13. Jahrhunderts bis zu den heutigen Chansons Preverts und Aragons.
Fania Fenelon hat im Gegensatz zu Yvette Guilbert ein gründliches Studium — Komposition, Gesang, Klavier, Tanz und Schauspiel — am' Pariser Konservatorium absolviert. Ihre Laufbahn — vielversprechend mit einem Preis begonnen — wurde durch den Einfall der Nazitruppen in Frankreich, durch die von Fania aufgenommene politische Arbeit in der Resistance, durch ihre Verhaftung und durch die Jahre in den Konzentrationslagern Hitlers jäh unterbrochen.
In den Konzentrationslagern hat Fania mit ihrer Kunst mitgewirkt, ihre Leidensgefährten aufzurichten und zum Widerstand zu ermutigen. Die auf dieser Platte vereinigten Chansons entstanden vor allem in dieser Zeit: Bombardiers (Bomber), dessen Text von einem unbekannten, im KZ Bergen-Belsen ermordeten französischen Dichter geschrieben wurde; Dans le desert glace (In der eisigen Wüste), das im KZ Auschwitz entstanden ist; Revenir (Zurückkommen), das Fania Fenelon im Frauenblock des KZ Bergen-Belsen vor 1000 inhaftierten Frauen gesungen hat, wobei sie sich durch Klopfen mit der Hand auf dem hölzernen   Bettgestell   begleitet hat.
Wilhelm Neef

Aus der Reihe „Unser Leben im Lied" befinden sich folgende Platten im Angebot:
Die Welt verändern wir Hanns Eisler-Lieder
8 10 006
Gesang der Zuversicht
Querschnitte   durch   zeitgenössische   Kantaten
von Schwaen, Bimberg  und Werzlau
8 10 009
Für den Frieden — Neue Märsche 810011
Brüder, zur Sonne, zur Freiheit
Arbeiterkampflieder
8 10 007
Jugend singt und musiziert
Jugendchor Leipzig    Leitung: Hans Sandig