KLAVIERSONATE CIS-M0LL 0P.27 NR.2- Rudolf Fischer, Klavier

KLAVIERSONATE CIS-M0LL 0P.27 NR.2
SONATA QUASI UNA FANTASIA - (MONDSCHEINSONATE)
LUDWIG VAN BEETHOVEN - (1770-1827)
Adagio sostenuto ■ Allegretto - Presto agitato •

Rudolf Fischer, Klavier
Von Freunden und Schülern nach dem Inhalt seiner Musik befragt, gab Beethoven gewöhnlich sehr unverbindliche Antworten; er verwies auf antike Philosophen und Dichter, auf seine Zeitgenossen Goethe und Schiller, oder er empfahl: „Lesen Sie Shakespeares ,Sturm'!". Mit solchen Andeutungen jedoch wollte sich niemand zufrieden geben. Gespannt erwartete man das Erscheinen der Druckausgaben, denen Beethoven stets knappe, aber äußerst genaue Spielanweisungen und mitunter auch Gedanken bezüglich des Inhalts beifügen ließ, wie „Pathetique" oder „Das Lebewohl"1. Hielt Beethoven es aber nicht für angebracht, einen speziellen Titel zu veröffentlichen, so bildeten sich Anekdoten, die manchmal geistreich und treffend, sehr oft aber auch platt und nichtssagend waren. Von unserer Sonate cis-moll erzählte man sich, daß sie in einer Gartenlaube komponiert worden sei, weswegen sie unglücklicherweise jahrzehntelang „Lauben-Sonate" genannt wurde. Erst als der Dichter Ludwig Rellstab nach einer nächtlichen Kahnfahrt auf dem Vierwaldstätter See aus ihrem Adagio sostenuto das sanfte Gleißen des Mondlichtes zu vernehmen glaubte, verbreitete sich die heute noch übliche Bezeichnung „Mondscheinsonate" wie ein Lauffeuer durch ganz Europa. All diese Deutungen, wie auch der Gedanke Edwin Fischers, eines der bedeutendsten Beethoven-Interpreten der jüngsten Vergangenheit, diesen ersten Satz als eine feierliche Totenklage verstehen zu müssen, entbehren jedes ernsthaften historischen Beleges. Das im Jahre 1802 für die siebzehnjährige Julie Guicciardi komponierte Klavierwerk hat eine mehr oder weniger phantastische Auslegung nicht nötig. Jedem, der die Musik unserer Klassiker liebt, wird sich der emotionale und gedankliche Gehalt dieses Stückes unschwer erschließen: begonnen mit dem träumerischen, von edlen menschlichen Empfindungen getragenen Adagio sostenuto, über das bald anmutige, bald trotzige Allegretto bis zum .eigentlichen Hauptsatz der Sonate, dem Presto agitato, dessen ungestüme Kraftentfaltung als ein leidenschaftliches Bekenntnis zum Leben und zur Tat verstanden werden darf. — Seit mehr als einem Jahrhundert zählt diese geniale Komposition zu den beliebtesten und meistgespieltesten   der  klassischen  deutschen  Klavierliteratur.
Eberhard  Rudolph