Günther Leib & Dieter Zechlin - Aus 'Die schöne Müllerin'

Franz Schubert (1797-1828) Aus „Die schöne Müllerin46 op. 25
Ein Zyklus von Liedern von Wilhelm Müller

Das Wandern Das Wandern ist des Müllers Lust
Danksagung an den Bach War es also gemeint
Ungeduld Ich schnitt es gern in alle Rinden ein
Mein! Bächlein, laß dein Rauschen sein
Der Jäger Was sucht denn der Jäger
Trockne Blumen Ihr Blümlein alle

Günther Leib, Bariton
Dieter Zechlin, Klavier

Im Schatten Beethovens schaffend, hat Schubert zeitlebens um Anerkennung seiner künstlerischen Aussagen gerungen. Wohl nirgends deutlicher ist das zu sehen, als gerade in den Sinfonien. Aber auch seine Kammermusik und Klavierwerke lassen immer wieder jenen Drang des schöpferischen Musikers erkennen, neue Wege einzuschlagen. Einmalig vollendet steht Schubert dagegen vor uns als Liedkomponist. Solche geniale Werke wie „Der Erlkönig" oder „Gretchen am Spinnrad", mit denen der kaum Zwanzigjährige aufwartete, erfüllen höchste künstlerische Anforderungen. Wie er es vermag, das Wort in die musikalische Sprache umzusetzen, das macht seine eigentliche Größe aus. Dichtung, Singstimme und Klaviersatz verschmelzen dabei zu einer untrennbaren organischen Einheit. Er versteht es, aus dem Duktus der Verse, den formalen Aufbau der Musik abzuleiten, ohne daß die Form gezwungen erscheint. In seinem Liederzyklus „Die schöne Müllerin" sieht man z. B. wie Schubert, ohne den Eigenwert eines Liedes anzutasten, einen weiten Bogen  über das gesamte Werk spannt. Der einheitliche Ausdruck des Ganzen wird aber nicht durch motivische Verkettung oder durch Wiederholungen erreicht, sondern er ergibt sich aus der musikalischen Atmosphäre, die die einzelnen Liedteile miteinander verbindet. „Die schöne Müllerin" entstand auf Gedichte von Wilhelm Müller, die dieser 1816 als Liederspiel veröffentlicht hatte. Als Schubert mit ihnen in Berührung kam, wählte er diejenigen aus, die ihn am meisten anzuregen vermochten. Dabei hat er den Eindruck einer gewissen biedermeierlichen Gemütlichkeit und Gefühlsseligkeit ausgemerzt, in dem die autobiographisch-verschlüsselten Verse des Dichters oftmals hängenblieben. Gleichzeitig zog er das Band, das das Liederspiel nur locker zusammengehalten hatte, fester an. Er vermied die dramatischen Akzente und die romanhafte Breite der Dichtung und rückte das lyrische Moment in den Vordergrund. Die Musikalität der Verse mußte einen Schubert zur Komposition förmlich reizen. Sie blieben aber nur Vorlage für ein Stimmungsbild, das tiefer drang, als die Worte auszusagen vermochten. Über das persönliche Anliegen des Dichters hinausgehend, vertonte er das echte Liebes- und Naturempfinden eines Menschen, sein Glück und sein schmerzliches Entsagen müssen. Schubert setzte das Unausgesprochene in Töne um, er zeichnete die feinsten Regungen einer Seele. Er vermenschlichte das Naturbild der Verse, verschmolz es mit dem Ausdruck einer objektiven, seiner Zeit entsprechenden, Realität. Die inneren Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt, sein tiefes Liebeserlebnis, hat Schubert in seiner Musik so, vollendet, nachgestaltet.
Günther Schönstein