Günter Sommer - Hörmusik

Günter Sommer - Hörmusik

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Günter Sommer - HörmusikGÜNTER SOMMER: Hörmusik
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Hörmusik
(I.Teil)

Seite 2
Hörmusik
(2. Teil)
Komposition: Günter Sommer
Günter Sommer (dr, perc)
rec. live 11. August 1979 Akademie der Künste, Berlin (West)
Eine Co-Produktion zwischen VEB Deutsche Schallplatten Berlin/DDR und Free Music Production, Berlin (West)

Mit dieser Platte spricht Günter Sommer eine Einladung aus - die Einladung, zuzuhören. Daß Musik zum Hören da ist, scheint weniger selbstverständlich als es klingt. Musik rieselt, dröhnt, läuft zu den verschiedensten Gelegenheiten, ohne wirklich gehört zu werden. Hörmusik meint keine Tautologie, sondern Musik, die sich von diesem Hintergrund abhebt. - Mich auf die Einladung zur Hörmusik einlassend, eröffnet sich mir eine Welt von Klängen und Rhythmen, eine subtile, vielschichtige Welt, in der es keine vorgeschriebenen Wege gibt. Hörmusik lädt auch zur eigenen Orientierung und zur Erfahrung eigener Klangvorstellungen ein. Wenn man etwas anderes erwartet als die Bestätigung musikalischer Denkmuster, kann diese Einladung zu einer spannenden Begegnung führen.
Sommer hat es bewußt bei dem Titel „Hörmusik" belassen - keine verbalen Ausschmückungen, keine Erläuterungen. In seinen Hörmusik-Konzerten spielt er hinter einem weißen Vorhang, damit das Zuhören und nicht das Zusehen im Vordergrund steht. Die auf der Platte zu hörende Musik analysieren oder gar „erläutern" zu wollen, würde den Intentionen Sommers zuwiderlaufen. Was zu sagen übrigbleibt, sind ein paar allgemeine Überlegungen und persönliche Eindrücke. Da Sommers Hörmusik die visuelle, die „theatralische" Ebene des Erlebens bewußt aussparen will, kommt ihr die Begrenztheit des Mediums Schallplatte in gewisser Weise entgegen. Was die Platte freilich nicht vermitteln kann, ist die Aura, das Hier und Jetzt improvisierter Musik. Dafür gibt es die Möglichkeit, mehrfach zuzuhören, was immer auch bedeutet: anders, verändert zuzuhören.
Einmal erschien mir Sommers Musik als etwas Vorbeiziehendes, von weither Kommendes und schließlich in der Stille Versinkendes. Ein anderes Mal kam ich zu der Vorstellung, daß die Platte nur einen Ausschnitt einer sich weiterbewegenden Musik hörbar werden läßt. Die Musik kann sich auch im musikalischen Empfinden des Hörers fortsetzen. Sommer bietet den Ansatz, indem er Klang und Geräusch sowie deren schwer wägbare Übergänge „musikalisiert". Das Ineinandergreifen von Rhythmischem und Klanglichem schafft ungeahnte Zusammenhänge. Polyrhythmisches, beispielsweise, erscheint gelegentlich auch als Polyphones. Stellenweise wird ein feines Kratzen oder Nachfedern bedeutungsvoll, das schließlich zu komplizierten Strukturen führen kann, in denen man den Klang ganzer Orchester zu hören vermeint. Mich beeindruckt die Hörmusik unter anderem durch das Zusammenführen von scheinbar Gegensätzlichem. Sie erscheint mir sensibel und kraftvoll, komplex und durchsichtig, gelassen und zeremoniell.
Getrennt vom Anblick des Musizierenden kann der Gedanke aufkommen, hier spielten zuweilen außereuropäische Stämme, zuweilen Kammerensembles für neue Musik. Wenn man genauer hört, wird man merken, daß all das, was anklingt und mitschwingt, durch eine Persönlichkeit integriert wird - so unwahrscheinlich der Prozeß technischer Bewältigung zuweilen auch erscheinen mag, - Sommer nutzt verschiedenste Mittel, um sich auszudrücken, widerspricht also der Rolle eines festgelegten Instrumentalisten. Der Einsatz der Stimme deutet nicht nur auf melodisches Empfinden, sondern auch auf körperliche Unmittelbarkeit. Erst jetzt kommt mir ein, von Sommer als Schlagzeuger zu schreiben. Er ist heute als Jazzschlagzeuger, als improvisierender Musiker, so sehr geschätzt, daß es für viele bedeutende „Namen" ein Bedürfnis ist, mit ihm zu spielen. Ein Umstand, der Aufzählungen unnötig macht. Auch wenn Sommer das Solospiel immer als Ergänzung zur musikalischen Zusammenarbeit in Gruppen begreift, wird in seiner Hörmusik die Universalität seiner musikalischen Vorstellungskraft auf unvergleichliche Weise erlebbar. Radikaler und sinnfälliger als in der solistisch aufgeführten Hörmusik ist der Bruch mit der konventionell „begleitenden" Rolle eines Schlagzeugers nicht darstellbar. Schließlich entsteht etwas anderes als ein langgezogenes Schlagzeugsolo: eine vollständige und selbständige Musik. So „komponiert" das Resultat zuweilen erscheinen mag, es bleibt ein spontaner Prozeß. Musik dieser Art, Hörmusik, bedeutet zweifelsfrei geistige Auseinandersetzung und Zusammenschau. Sie bedeutet zugleich Einsatz körperlicher Kräfte, Arbeit mit Händen und Füßen, physische Herausforderung. Dieses jedoch liegt hinter dem Vorhang. Wenn Sommer auf die weiße Fläche oftmals ein Dia seines Instrumentariums projiziert, so sehe ich darin die Absicht, den Aspekt der Materialbehandlung nicht völlig auszuklammern. Keine raffinierten Apparaturen, sondern ausgesuchte, einfache Gerätschaften werden sichtbar. Was auf dem Vorhang zu sehen ist, beschreibt Sommer in groben Umrissen wie folgt: „Drumset mit Pauke, Dumbeg, Orff-Päuklein; Becken fest auf Ständern und beweglich auf Trommeln; bulgarische Kuhglocken; großes Tamtam und diverse Buckelgongs, Handsirene und Eisenplatte; gespielt mit Stöcken, Besen, Holzkugelköpfen, Filzschlegeln, gestreichelt und geschlagen mit Händen und mit dickem Filzkopf; Orgelpfeifen, geblasen und durch Pedal zum Klingen gebracht; eingeleitet und beendet mit selbstgebautem Bubamspiel und Darabukka."
Auch die Vorstellung, wie Sommer mit dem Instrumentarium umgeht, kann Musik freisetzen. Die Wege von passiven Gewohnheiten zu Aufmerksamkeit und Phantasie sind vielfältig. Entscheidend bleibt das Hören -auch nachdem sich die Musik entfernt hat. Zunächst steht die Einladung Günter Sommers zur Hörmusik. Als ich sie annahm, ahnte ich, daß es nicht bei den knapp fünfunddreißig Minuten, die das Hören der Platte dauert, bleiben würde.
Bert Noglik (1981)

Foto: Otto Sill
Gestaltung: Christoph Ehbets

Mehr Informationen
ArtikelnummerAmiga 8 55 870
ProduktnameGünter Sommer - Hörmusik
Preis12,90 €
LieferzeitIm Schallplattenladen Stralsund
InterpretGünter Sommer
Name - TitelHörmusik
LabelAMIGA
MedientypSchellack 78 U/min
Vinylgewicht pro Schallplatte140 gramm
Anzahl der Platten1
BeilagenKeine
Allgemeiner PlattenzustandGebraucht
Zustand TonträgerVery Good + (Sehr gut)
Zustand CoverVery Good + (Sehr gut)
PlattenreinigungReinigung mit Plattenwaschmaschine Double Matrix Professionel Sonic (Clearaudio)
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