Ella & Louis Singen Aus Porgy & Bess - Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Russell Garcia & Sein Orchester

Ella und Louis und singen aus
PORGY AND Bess
(G. Gershwin/Heyward-I. Gershwin)

A-Seite
Summertime
Ella Fitzgerald Louis Armstrong

I Wants To Stay Here
Ella Fitzgerald

I Got Plenty O' Nuttin'
Ella Fitzgerald Louis Armstrong

Bess, You Is My Woman Now
Ella Fitzgerald Louis Armstrong

What You Want Wid Bess?
Ella Fitzgerald


B-Seite
It Ain't Necessarily So
Ella Fitzgerald Louis Armstrong

A Woman Is A Sometime Thing
Louis Armstrong

There's A Boat Dot's Leavin' Soon For New York
Louis Armstrong

Bess, Oh Where's My Bess?
Louis Armstrong

Oh Lawd, I'm On My Way
Louis Armstrong

Als Louis Armstrong 1947 mit seiner neugegründeten All-Star-Formation ein großes Konzert in der New Yorker Town Hall gab, wurde er vom Sprecher mit folgenden Worten angekündigt: „Jazz ist Amerikas großer kultureller Beitrag zur schöpferischen Kunst der Welt, und sein wichtigster Vertreter ist nicht weniger als eine lebende Legende. Er lernte das Singen nicht in Mailand - er bildete seine Stimme in einem Zeitungsjungenquartett in New Orleans, das in den Straßen für Pfennige sang. Er lernte das Trompetespielen nicht auf einem Konservatorium — er übte auf einem verbeulten, alten Signalhorn in einer New Orleanser Waisenanstalt. Er ist in den Slums der Vorstadt geboren, mit nichts als Hindernissen um sich herum — und trotzdem trug ihn sein Genie durch die Welt: ließ ihn triumphieren in Philharmonien, Konzerte vor Königen geben und Anerkennung finden bei den Musikkritikern jedes Landes. Seine großartigen Schallplatten haben den Geist des Jazz in jeden Winkel unseres Planeten getragen. Sein Einfluß auf die Musik - auf Sänger und Instrumentalisten — ist gewaltig. Jazz ist ein viel mißbrauchtes Wort, aber wenn es überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet es das, was geschieht, wenn immer er seine Trompete an die Lippen setzt..."
Armstrong hat viele Etappen des Jazz miterlebt und mitgestaltet: die archaische Brass-Band-Musik in New Orleans, den klassischen Jazz, die Auflösung des klassischen Jazz und den Übergang zum Swing, " den Big-Band-Swing der dreißiger und vierziger Jahre, die Rückbesinnung auf den traditionellen Jazz... Immer war „Satchmo" dabei. Er hat folkloristischen Jazz gespielt, Tagesschlager verarbeitet und sich sogar hin und wieder im Bereich moderner Arrangements versucht. Kaum überschaubar ist die Liste bedeutender Instrumentalisten und Sänger des Jazz, mit denen Armstrong zusammenarbeitete. Zu den produktivsten Begegnungen mit anderen Künstlern gehört zweifellos die mit der Sängerin Ella Fitzgerald. 1946 trafen sich die beiden zum ersten Mal in einem Schallplattenstudio; begleitet von Bobby Haggart's Orchestra nahmen sie die Titel „You Won't Be Satis-fied" und „The Frim Fram Sauce" auf. Vier Jahre später produzierten sie mit Sy Oliver's Orchestra die Nummern „Dream A Little Dream Of Me" und „Can Anyone Explain?" 1951 folgten, mit Dave Barbour's Orchestra, „Necessary Evil", „Oops!", „Would You Like To Take A Walk?" und „Who Walks In When I Walk Out". 1956 trafen Ella und Louis wieder bei einem Konzert in der Hollywood Bowl zusammen und sangen gemeinsam noch einmal  „You Won't Be Satisfied".
Doch alle diese Begegnungen waren sehr sporadisch, die Titel kaum mehr als populäre Tagesschlager. Es wurde Zeit, daß sie ein größeres, gewichtigeres Projekt erneut zusammenführte. Es wurde ein Projekt gefunden, das ihrer offenkundlichen Begabung für den Song genügend Entfaltungsmöglichkeiten gab: mit dem im modernen Stil spielenden Oscar Peterson Quartet entstand 1956 das Album „Ella And Louis", das ein Jahr später mit dem Doppelalbum „Ella And Louis Again" fortgesetzt wurde. Niveauvolle Songs von Irving Berlin, Cole Porter, Jerome Kern und anderen, nicht zuletzt auch Titel von George und Ira Gershwin, fanden ihre meisterhafte Interpretation. (Amiga bereitet die Herausgabe einer Auswahl dieser Duette Ella Fitzgeralds und Louis Armstrongs vor.) Und nun entwickelte sich ein neues Vorhaben: Nach „A Foggy Day", „They All Laughed", „Let's Call The Whole Thing Off" und „Love Is Here To Stay"
—   Beispielen von Gershwins Wirken als Schlagerkomponist - wandten sich Ella und Louis nun den Liedern aus der Oper „Porgy And Bess" zu. Sie veröffentlichten ein neues Doppelalbum, von dem wir Ausschnitte auf unsere Platte übernommen haben.
Wenn sich auch das Begleitorchester unter der Leitung von Russell Garcia eng an die Originalarrangements hält, sind die Gershwin-Stücke für Ella und Louis doch mehr Vorlage und Rohstoff, aus dem sie eigene Stücke formen, die bekannten Melodien mit neuem Glanz erfüllend. Mehr noch als für Ella Fitzgerald mit ihrer wandlungsreichen Stimme gilt das für Louis Armstrong. Ihm kommt es nicht  auf eine  werkgetreue  Interpretation  an
-  er singt die Lieder, wie er sie versteht und fühlt. Ein Beispiel: Wir kennen aus dem Film „Porgy And Bess" die Darstellung des dämonisch-schurkischen Sportin' Life durch Sammy Davis jr. und dessen Gesang „There's A Boat Dat's Leavin' Soon For New York", mit dem er Bess verführt und in die lasterhafte Großstadt lockt. Hören wir mit der Erinnerung daran und in Erwartung von etwas Ähnlichem Armstrongs Darbietung desselben Titels, sind wir vielleicht zunächst enttäuscht, denn er schlüpft nicht in die Rolle des Sportin' Life. Nein, er singt das Lied so, wie er sich eine Verführung denkt: zwar auch als Verführung, aber wieviel tiefer empfindend, warmherziger, „menschlicher". Armstrong ist eben kein Darsteller in „Porgy And Bess", sondern eben -Armstrong. Und diese eigene, unverwechselbare Interpretation macht den Reiz der vorliegenden Aufnahmen von Armstrong - und auch, wenngleich nicht in dieser Zuspitzung, von Ella Fitzgerald - aus.
Ella und Louis beweisen mit diesen Aufnahmen, daß sie zu den ganz großen Gesangskünstlern unserer Zeit gehören. Bei ihnen spürt, man nichts Unwahres, Gekünsteltes, Nur-Nachempfundenes. Ihre Gershwin-Auffassung ist gewiß nicht die einzig mögliche; aber es ist eine, die zu hören großen Gewinn bedeutet.                                                      
Werner Sellhorn