Benny Goodman - Porträt in Swing

Original Nr. 8 50 237  (Mono)

Es spielen
ORCHESTER, TRIO UND QUARTETT BENNY GOODMAN
mit den Musikern:
Benny Goodman (c!) Harry James (tp) Gene Krupa (d) Teddy Wilson (p) Charlie Christian (g) Lionel Hampton (vib)
und
Trompete: Ziggy Elman, Gordon Griffin
Posaune: Murray McEachern, Red Ballard, Vernon Brown Saxophon: Hymie Shertzer, Vido Musso, Jerry Jerome, George Koenig, Dave Matthews, Arthur Rollini, Babe Russin BaB: Harry Goodman, Artie Bernstein Schlagzeug: Dave Tough, Nick Fatool Gitarre: Allan Reuss Piano: Jess Stacy
Arrangeure: Fletcher Henderson, James Mundy, Horace Henderson

rec. 1937/1938 (Life)
Recorded By Metro Goldwyn Mayer Inc.,
New York/USA, Verve-Series

Als 1935 in der Presse immer häufiger vom „König des Swing“ die Rede war und das Publikum begann, den Ausdruck, „Swing" für die „einzigartigeT rhythmisch-swingende Tanzmusik" Goodmans aufzugreifen, war Ihm das anfänglich gar nicht so recht Harte Arbeit ohne nennenswerte Ergebnisse hatten Goodman einem allzu unverhofften Erfolg gegenüber misstrauisch werden lassen. Und in seiner Autobiographie bekennt er: „lch selbst wollte die Wendung „king of swing“ aus unserer Reklame fernhalten, weil man erstens nicht wußte, wie lange die Begeisterung dauern wurde, und weil ich zweitens nicht an eine Forme! gebunden sein wollte, welche die Leute allenfalls nach einem Jahr oder so als altmodisch ab-tun wurden, weil sie der Bezeichnung müde geworden waren. Aber es nutzte nichts: wir mussten die Marke am Hals tragen, die das Publikum uns angehängt hatte." Es sei dahin gestellt, ob sich hinter diesen nachträglich geschriebenen Sätzen eine gewisse augenzwinkernde Koketterie verbirgt. Tatsache bleibt, dass der Swing-Musik Goodmans ein rascher Durchbruch zum Erfolg beschieden war und dass sein Orchester sowie die kleineren Formationen (Trio, Quartett, Sextett) zwischen 1936-1944 zum Inbegriff einer musikalischen Stilepoche, der Ära des Swing, wurden.
Den „swing" - kleingeschrieben -gab es im Jazz und in der Tanzmusik vor und nach Benny Goodman. (Man bezeichnet damit die schwingende Bewegungsart der Jazzmelodie, die vor allem durch die verschiedenen Offbeat - d. h. Weg-vom-Totschlag -Synkopierungen zustande kommen; wie z. B. durch das Vorschieben einzelner betonter Taktteile auf unbetonte Taktunterteile - etwa Triolen-Achtel.) Das„swingen" notenmäßig zu erfassen, ihm eine arrangierte Form zu geben, es auf die Bläsersätze und die Rhythmusgruppe einer Bigband zu übertragen - auch das war im Prinzip nichts Neues; es sei an das Orchester von Fletcher Henderson erinnert.
Das Geheimnis des Erfolges durfte sich letztlich daraus erklären, dass es Goodman verstand, mit einer bis dahin einmaligen Perfektion eine Tanzmusik zu interpretieren, die negerische Anregungen und europäische Elemente in einer neuartig-eleganten Weise vereint Goodmans Swing kam den Hörgewohnheiten der Tanzmusikkonsumenten zweifelsohne entgegen, andererseits bot er noch genügend Neues, um modisch, attraktiv und anziehend zu wirken. Voraussetzung für das exakte Spiel der Goodman-Band waren geschulte, notenkundige Musiker. Es ist bekannt, welchen Wert Goodman gerade auf die Präzision legte: „Ich bin ein Fanatiker, was die Genauigkeit der Aufführung betrifft, in bezug auf saubere Intonation und die exakten Tonlangen wie sie in den Stimmen stehen; die Band sollte so genau klingen wie nur irgend möglich." Um seine Vorstellungen zu realisieren, musste Goodman seine Ensemblemusiker von den „Schlacken" individueller jazziger Intonation und Tonfärbung freimachen, die Bläsersätze zum Stimmen bringen und Wert auf eine reine, notengetreue europäische Tongebung legen. Er selbst wirkte dabei als Vorbild. In den Improvisationen - selbst wenn sie sich innerhalb vorgegebener Ablaufschemata zu halten haben - räumt er indes sich und seinen Solisten gewisse Freiheiten ein. Der Wechselzwischen exakt musizierenden Satz-gruppen und frei geblasenen Chorussen - das macht den Reiz vieler Auf-nahmen aus.
Das Geschäft mit der Swing-Musik brachte der amerikanischen Musikindustrie hohe Profite. Man sprach vom „größten Musikgeschäft aller Zeiten". Das unentwegte Forcieren immer neuer Swing-Aufnahmen, das Einsetzen der Swing-Musik für Reklamezwecke, all das bekam der Swing-Musik auf die Dauer nicht gut Was anfänglich vielfach noch Zuge einer echten Weiterentwicklung der Tanzmusik trug, der impressionistischen Musik entnommene Akkordbildungen und -folgen, die Gegenbewegung-der Bläsersatze, das Arbeiten mit Riff-Themen, das Ausloten der Möglichkeiten volltoniger Saxophonsätze, das erstarrte gelegentlich schon wieder zum Klischee. Das von der nordamerikanischen Musikindustrie forcierte Streben nach Profit löste unverkennbar Tendenzen der Nivellierung und Verflachung aus. Hört man viele Goodman-Aufnahmen, so tritt dies deutlich hervor. Eine Auswahl bleibt indes genußvoll; selbst wenn es sich dabei, wie bei den vorliegenden Aufnahmen, um Mitschnitte von Reklamesendungen aus den Jahren 1937/38 handelt.
Wie Benny Goodman Klarinette blast, Harry James rasante Passagen meistert, Gene Krupa seine Schlag-zeug-Soli musikalisch aufbaut, Teddy Wilson und Lionel Hampton feinnervig auf Anregungen Goodmans ein-gehen - die Aufnahmen in Trio- und Quartettbesetzung sind in dieser Hinsicht musikalische Delikatessen -dahinter verbirgt sich bei allem Streben nach äußerem Glanz und technischer Perfektion echtes Musikantentum. Und in den Arrangements von Henderson - aber auch in den Improvisationen der Solisten -schwingt noch soviel an Herz und Geist der New Orleans Zeit mit, dass diese Aufnahmen über ihren dokumentarischen Wert hinaus auch den heutigen Zuhörer noch bereichern und ihn zum Swingen bringen. H. P. Hofmann