Alfons Wonneberg & Sein Orchester - Immer Auf Achse

Alfons Wonneberg & Sein Orchester - Immer Auf Achse

Karapus

Dschigiti

Moskau Im Mai

Como Un Milagro

Schischko

Newa Verträumt

Mars

Bele Mama

Garofitza

Abends in Warschau

Karawane

Ukraine

Esos Tiernos Ojos

Er

Dshargach Zurchen

Ogonjok

„Immer auf Achse" — gewiß,  doch keineswegs immer „per Achse", denn sonst hätten Alfons Wonneberg und sein Sextett wohl kaum Zeit für diese sechzehn ausgereiften Orchesteraufnahmen gefunden. Es bedurfte schor düsengetriebener Flugzeuge, um die sieben Musiker in vier Erdteile zu tragen und  „zwischendurch"  Studioaufnahmen im eigenen Lande, Fernsehsendungen und öffentliche Veranstaltungen zu gewährleisten. Das Orchester der meister Flugkilometer — wie es scherzhaft und anerkennend in Kollegenkreisen genannt wird — bewies in  mehr als  zwanzig Ländern, daß auch in der Hauptstadt der DDR „Musike drin ist", wie der Berliner sagen würde — und Alfons Wonneberg ist einer.   Der gewichtige Eindruck, den er und seine Musiker auf den Bühnen der Welt hinterlassen — in Paris wie Havanna, in Algier wie Sofia und Ulan-Bator — ist so nachhaltig, daß man die Wonnebergs allein in den schwedischen und finnischen Volksparks schon viermal hören wollte. Und 1965 in Havanna drängte man so lange, bis der „Rhythmus aus Berlin", in Coproduktion mit profilierten kubanischen Musikern, die Form einer Langspielplatte angenommen hatte.   Prädikate kubanischer Kritiker wie „hervorragende Musiker, eine ideenreiche Produktion usw." runden das Bild der Dank- und Erinnerungsschreiben,  die sich bei Kunstpreisträger Alfons Wonneberg häufen; ergänzt durch den Kunstpreis der FDJ (Erich- Weinert-Medaille), der ihm nach den Weltfestspielen der Jugend und Studenten, Sofia 1968, zuerkannt wurde. Natürlich weiß Alfons Wonneberg — auf dieser LP mit Orgel, Akkordeon, Vibraphon und Blasharmonika zu hören —, welchen Anteil an dieser Erfolgsserie seine Musiker haben, und daher seien die Mitwirkenden dieser Langspielplatte nicht vergessen: Paul Dühmert (Trompete),  Klaus  Smesny (Alt- und Baritonsaxophon,  Klarinette,  Flöte), Heinz  Schröter  (Tenorsaxophon, Klarinette), Rolf Fritsche  (elektr. Gitarre), Gert Lübke (elektr. Baßgitarre), Kurt Fritsche (Schlagzeug, Marimbaphon). Was erklärt den Erfolg der Musik von Alfons Wonneberg und seinem Sextett?   Der spontane Ausspruch  eines schwedischen  Musikers kommt der Sache nahe: „Unter dem gegenwärtigen Einfluß englisch-amerikanischer Standards ist die internationale Pop-Musik zu gleichtönig geworden. Alles, was davon abweicht, eigene Wege geht, erregt daher ungewohntes Interesse." (Zur Ergänzung: In diesem beifällig aufgenommenen Konzert unternahm Al-fons Wonneberg einen musikalischen   Bummel durch die sozialistischen Länder.) Und damit wäre das Besondere genannt: Alfons Wonneberg trägt den „Ritmos de Berlin" — wie die Kubaner sagten — nicht nur in ferne Länder, er bringt auch Titel mit und bearbeitet sie, mixt Folkloristisches mit Jazzigem, würzt ein wenig mit Beat-Rhythmen und bekam so im Verlaufe der Jahre eine Speisekarte zusammen, die den musikalischen Gaumen ständig aufs neue reizt.   Die vorliegende Langspielplatte bestätigt es: Da gibt es einen Slop, „Dschigiti", dem  ein usbekisches Volkslied zugrunde liegt, erklingen Titel wie „Moskau im Mai", „Ukraine", „Abends in Warschau", und zwischendurch geht die Reise nach Kuba, Rumänien und auf den „Mars".   Nun, was wäre eine Speisekarte ä la Wonneberg ohne ein pikantes Produkt reger Phantasie, ausgedeutet durch entsprechende Sphärenklänge.   Die irdischen Schauplätze lassen sich durch folkloristische Charakteristika auf Anhieb geographisch orten.  Der Reiz des Zuhörens erhöht sich durch das musikalische Feuerwerk, das 50 : 50 die Arrangeure Alfons Wonneberg und Gerhard Kneifel angezündet haben. Sie verstehen es, Spannungen und Kontraste durch die Folge filigraner Polyphonie und akkordischer Homophonie zu schaffen, lassen Ruhe und Bewegung, Tutti und Solo-Chorusse wechseln.   Das  Interesse wird herausgefordert, indem musikalische Gedanken beim Wiederholen verändert, weitergeführt,  neu formuliert werden.   Melodik, Rhythmik, Klangfarbe und Dynamik erscheinen immerfort neu gruppiert, so daß der Hörer angeregt wird, auch in die \  Tiefe zu hören.   Mag daher manchem Tanzmusikfreund dies oder jenes anfänglich ungewohnt erscheinen, beim mehrmaligen Hinhören wird sich auch ihm eine musikalische Welt erschließen, deren Faszination man sich nicht entziehen kann.   Die Vielfalt der Bilder, die Alfons musikalisch nachzuzeichnen weiß, sind Produkt von Geschautem, schöpferischer Phantasie, musikalischem Können und seinem Hobby, der Malerei, der bildenden Kunst.   Sobald Alfons auf seine anregenden  „Bilderbücher"  kommt,  gerät er ins Schwärmen, würde  nicht  das  Telefon mahnen: Morgen geht es nach Kairo, Moskau, Bagdad — ja, ja: Immer auf Achse
H.P. Hoffmann