Tanzorchester Des Berliner Rundfunks Leitung Günther Kretschmer - Gross-Stadt-Rhythmus

Tanzorchester Des Berliner Rundfunks Leitung Günther Kretschmer - Gross-Stadt-Rhythmus

Glasklar

Farbenspiel

Flip-Flap

Intim

Singe von Liebe

Relief

Platzregen

Gin-Flip

Für Claudia

Florett

Magnolia

Kirsch-Whisky

Du musst nicht weinen

Großstadtrhythmus — das ist Schwung, Tempo, internationales Fluidum, das ist die Poesie neuer Stadtteile, Parks Cafes, und das ist Musik: kraftvoll, selbstbewußt, nuancenreich. Vierzehn Orchestertitel aus der Feder von Günther Kretschmer lassen den vielgestaltigen Rhythmus unserer Großstadt zu einem erregenden Erlebnis werden. Fast möchte man es nicht glauben, welche Ausdrucksfülle einer Big Band abgefordert werden kann, findet sie ihren Meister. — Und Günther Kretschmer legt hier ein Zeugnis gereiften Könnens ab.
Erinnern wir uns: Als Komponist lieferte er mit Erfolgsschlagern für Frank Schöbet und Christian Schafrik Mitte der sechzige Jahre Schlagzeilen. Sein Arrangeur Talent bestätigte 1965 die Schlager Spitzenparade von .Melodie und Rhythmus": .Bewundernswert Günther Kretschmers Einfühlungsvermögen und Einfallsreichtum.
Als zweiter Dirigent des Tanzorchesters vom Berliner Rundfunk und Leiter diverser Studioorchester weiß Günther Kretschmer, zu welch hohen Leistungen unsere besten Musiker fähig sind. Und doch ist die LP .Großstadtrhythmus" mehr als das Resultat addierter Erfahrungen. Es entspräche nicht der Experimentierfreudigkeit Kretschmers, würde er nicht den Versuch unternehmen, in Grenzbereiche des technisch und musikalisch Möglichen einer Big Band vorzustoßen. Die moderne Mehrspur- und Synchronisationstechnik nutzend, entstanden dabei Klangfarben und -mischungen, die durchaus eigenständig und stilbildend sind, so daß es nicht vermessen erscheint, von einem Günther Kretschmer-Sound zu sprechen. Meist sind es zusätzliche, aufgestockte" Kombinationen von Bläsern und Orgel, die den gewohnten Big Band-Klang variieren, ihn interessant und ungewohnt erscheinen lassen. Neue „Sounds" sind in der Tanzmusik oft recht einseitig und starr an bestimmte Kompositionen und Tanzarten gebunden. Im Gegensatz dazu besticht der Günther Kretschmer-Sound durch seine Anpassungsfähigkeit Er gibt Orchesteraufnahmen, die der Swing-Musik verhaftet sind, einen modernen und internationalen Klang, und er vereint sie nicht minder mühelos mit Elementen des Beat oder lateinamerikanischer Bossa Nova-Rhythmik.
Orchesteraufnahmen der vorliegenden Art muß man hören — möglichst recht oft und stereo. Natürlich läßt sich auch danach tanzen. Worte vermögen nur unzureichend die Fülle der ständig wechselnden musikalischen Eindrücke wiederzu-geben. Fassen Sie daher das Folgende nur als erste Anregung auf, selbst neue und bereichernde Schönheiten dieser Musik zu entdecken.
Der besondere Reiz des Foxtrotts .Glasklar" ergibt sich daraus, daß hier zur Big Band vier Trompeten und Posaunen sowie Orgel und Flöten als Sound hinzusynchronisiert wurden. Bei der Bounce „Farbenspiel" nimmt der geschickt hinzugemischte Sound dem Big Band-Klang die Schärfe. Tief gesetzte Flöten geben der Bossa Nova „Intim" das gewünschte Kolorit. Mit dem Swing „Singe von Liebe" beweist Günther Kretschmer, welche Klänge mit dem Instrumentarium einer Big Band gemixt werden können. Die Devise lautet dabei: Nichts unverändert wiederholen. Kraftvolles Selbstbewußtsein spricht aus dem Titel „Relief". Der Sendehäufigkeit im Funk nach zu urteilen, scheint sich hier ein neuer Orchester-Erfolg abzuzeichnen. Daß einer Big Band Elemente des Beat nicht verschlossen sind, zeigt die Aufnahme „Platzregen". Hörenswert sind hier die ständig wechselnden und ineinander verschränkten Sätze der Bläser. „Gin-Flip" bringt durch das von Gerhard Pabst souverän geblasene Trompeten-Solo Farbe in die Zusammenstellung. Dem Titel „Für Claudia" liegt eine Kombination mehrerer Sounds zugrunde, bereichert durch ein Flöten-Solo von Friedhelm' Schönfeld: „Florett" ist eine typische Bossa Nova mit einer „maßgerechten" Trompeten-Improvisation von Joachim Graswurm. Mit einem Flöten-Solo brilliert Fritz Heimbach in der Bossa Nova „Magnolia". „Kirsa´s-Whisky" bietet den Musikern ausreichend Gelegenheit, sich mit jazzigen Chorussen vorzustellen. Noch einmal wird dabei die Freude spürbar, mit der diese anspruchsvollen Orchesterkompositionen von Günther Kretschmer eingespielt wurden. — Jede LP muß einen Titel Nummer 13 haben: Hier heißt er symbolisch „Du mußt nicht weinen"! Furios klingt der Großstadtrhythmus aus. Man muß es gehört haben, wie Hubert Katzenbeißer in dem Titel „Duplikat" mit sich selbst im Duett Posaune bläst; ein Kabinettstück virtuosen Könnens, moderner Aufnahmetechnik und echtem Musikantentums - wie das meiste dieser LP.                          
H. P. Hofmann

Duplikat