Perry Friedman - Hootenanny

Perry Friedman - Hootenanny

A-Seite
1. Wenn  alle Brünnlein fließen
(Volkslied)
Perry Friedman, Gesang und Banjo
Hans Schätzke, Baß

2. Zwischen Berg und tiefem Tal
(Volkslied)
Perry Friedman, Gesang und Banjo

3. Het Kwezelke
(Niederländisches Volkslied)
Lin Jaldati, Gesang
Eberhard Rebling, Klavier

4. Gib deine Hand
(Zimmermann/ Gerlach)
Rolf Zimmermann, Gesang und Klavier

5. Liebeslied
(Schneider/Schenke)
Christel Schulze, Gesang
Klaus Schneider, Gesang und Gitarre
Hans Schätzke, Baß

Kling-klang
(unbekannt/Herwegh)
Gerry Wolff, Gesang
Perry Friedman, Banjo

7. Weltuntergangs-Blues
(Traditional/Dallas, dtsch.: Semmer)
Lutz Kirchenwitz, Gesang und Gitarre

8. Die Oliven gedeihn
(Asriel/Hacks)
Lutz Kirchenwitz, Gesang und Gitarre
PJörn Fechner, Gesang

9.Sing Sing So
(Indonesisches Volkslied)
Lin Jaldati, Gesang
Eberhard Rebling, Klavier

B-Seite                    
10. Wake Up, Jacob
(Amerikanisches Volkslied)
Perry Friedmann, Gesang und Banjo

11. As der Rebbe weijnt
(Jiddisches Volkslied)
Lin Jaldati, Gesang
Eberhard Rebling, Klavier

12. Oh Jerum
(Volkslied)
Perry Friedman, Gesang und Banjo

13. Es fiel ein Reif
(Volkslied)
Lutz Kirchenwitz, Gesang und Gitarre

14. Singe, Soldat
(Russisches Volkslied)
Christel Schulze, Gesang
Klaus Schneider, Gesang und Gitarre
Klaus Mumhardt, Mundharmonika
Hans Schätzke, Baß

15. Wenn die Sonn' am Himmel steht
(Zimmermann/ Engelmann)
Rolf Zimmermann, Gesang und Klavier

16. Wenn die Lichter wieder brennen
(Fürnberg/Fürnberg)
Lin Jaldati, Gesang
Eberhard Rebling, Klavier

17. In den Bäumen ist heute ein Raunen
(König/König)
Jörn Fechner, Gesang und Gitarre

18. Abendlied
(Schneider/Kirsch)
Christel Schulze, Gesang
Klaus Schneider, Gesang und Gitarre
Hans Schätzke, Baß

19. My Bonnie Lies Over The Ocean
(Schottisches Volkslied)
Perry Friedman, Gesang und Banjo


Perry Friedman, der junge Volkssänger aus Kanada, kam 1959 in unsere Republik. Zu seinem Reisegepäck gehörten ein Banjo und eine neue Vokabel: die Hootenanny. Zunächst wußte niemand damit etwas Rechtes anzufangen, bis Perry im Klub der Jugend und Sportlerin der Karl-Marx-Allee des Rätsels Lösung gab. An jenem denkwürdigen Tag im Januar 1960 fand die erste deutsche Hootenanny statt. Jetzt wußte es jeder. Dieses unübersetzbare Wort bedeutet nichts anderes als: alle machen mit. Je nach Temperament, Veranlagung und Zusammensetzung der „sangesfreudigen Leute" äußert sich dies im aktiven Zuhören, Mitsummen oder lautstarkem gemeinsamen Gesang. Die Devise lautet: Jeder kann singen. Und so trägt bei einer Hootenanny jeder seinen Teil dazu bei; ob solistisch oder im Chor ist dabei nicht das Entscheidende. So gesehen gestalteten 250 Mitwirkende die erste Hootenanny. Bühne und Parkett waren eins geworden.
Der zutiefst demokratische Charakter der Hootenannies offenbart sich, wenn wir ihre Entstehung aufzeigen. Einer ihrer Schöpfer ist Pete Seeger, der Lehrer Perry Friedmans. Wer kennt nicht sein berühmtes „Sag mir, wo die Blumen sind", Seegers Lieder, von Millionen gehört und gesungen — rütteln auf und weisen den Weg in die Zukunft. Das gemeinsame Anliegen aller Werktätigen - Frieden, soziale Gleichberechtigung, Abschaffung von Ausbeutung und Unterdrückung - ließ in den 30er Jahren in den Sommerlagern der Gewerkschaften, insbesondere unter den Arbeitern der nordamerikanischen Pazific-Hootenannies entstehen. Im zwanglosen Liedersingen, Hören und Improvisieren vertrauten sich auf unterhaltsame Weise sangesfreudige Leute mit der Vielfalt und Schönheit internationalen Liedguts der Gegenwart und Vergangenheit. Die vorliegende Amiga-Langspielplatte vermittelt davon eineindrucksvolles Bild. Als ausgesprochene Hootenanny-Titel, die sich leicht, quasi „auf Anhieb" von den Versammelten nachsingen lassen, erweisen sich hier „Wenn alle Brünnlein fließen", „Sing Sing So" und „My Bonnie Lies Over The Ocean". Bedenkt man, daß es sich hierbei um ein deutsches, ein indonesisches und ein schottisches Volkslied handelt, so wird deutlich, daß die Zahl nationaler Hootenanny-Lieder begrenzt sein mag, international gesehen jedoch ein unermeßlicher Reichtum geeigneter Lieder vorhanden ist. Neben den bereits erwähnten Titeln vereint diese Langspielplatte eine Reihe erregender Solo-Vorträge, die Herz und Sinne ansprechen. Auffrüttelnd, packend und erschütternd sind die Lieder, die Lin Jaldati, begleitet von Eberhard Rebling, vorträgt. Der eindringlichen Kraft ihres Vortrages vermögen sich die Zuhörer nicht zu entziehen. Mit übergroßer Bescheidenheit pflegte Louis Fürnberg von sich zu sagen: „Ich bin kein Musiker, ich bin kein Komponist." Doch wer sein schlichtes, mahnendes „Wenn die Lichter wieder brennen" — gesungen von Lin Jaldati — gehört hat, spürt die Größe des Dichters, Pianisten und Komponisten Louis Fürnberg. Vergessen wir nicht Gerry Wolff, der mit seinem „Kling-klang" erneut gestalterisches Format beweist. Den „Weltuntergangs-Blues", ein Ostermarschlied, Interpretiert Lutz Kirchenwitz. Erst kürzlich charakterisierte ein westdeutscher Freund die Ostermarsch-Lieder mit den Worten: „Sie haben eine Menge dazu beigetragen, volkstümlich das auszudrücken, was die Jugend Westdeutschlands bewegt.'4 Zum verdienstvollen Anliegen der ersten Amiga-Hootenanny gehört es, daß sie uns einige bekannte Interpreten von einer neuen, ungewohnten Seite vorstellt. Überraschend für viele dürften die Liedvorträge der „Schlagersängerin" Christel Schulze sein. Von Klaus Schneider begleitet interpretiert sie nuancenreich und gekonnt „Liebeslied", „Singe, Soldat" und „Abendlied". Gleichermaßen überzeugend trägt der Berliner Komponist Rolf Zimmermann seine Titel „Wenn die Sonn' am Himmel steht" und „Gib deine Hand" vor. Neben diesen bereits vertrauten Namen lernen wir auch einige neue kennen. Ein Hinweis, wie viele junge Talente fähig und gewillt sind, an der Pflege eines lebendigen, blutvollen Liedschaffens teilzunehmen. Da ist zum Beispiel Jörn Fechner, Gesang und Gitarre, der den Titel des jungen Komponisten und Textautors Hartmut König „In den Bäumen ist heute ein Raunen" überzeugend zu gestalten weiß. Was diese Hootenanny an Neuem, Ungewohntem anzubieten hat, ist beglückend. Alles in allem ein Unternehmen, das verdient, fortgesetzt zu werden. Hilft es doch, daß überall, wo Menschen zusammenkommen, das Gefühl solidarischer Verbundenheit durch die Gemeinsamkeit des Singens gefördert wird.  
H. P. Hofmann