Orpheus in Der Unterwelt (Operettenquerschnitt)

Orpheus in Der Unterwelt (Operettenquerschnitt)

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ORPHEUS IN DER UNTERWELT
Orpheus - Peter Schreier, Tenor - Direktor des Konservatoriums zu Theben
Eurydike, seine Frau - Jutta Vulpius, Sopran
Jupiter, Göttervater - Hermann Christian Polster, Baß
Juno, seine Gattin - Ruth Schob-Lipka, Mezzosopran
Pluto, Beherrscher der Unterwelt - Wolfgang Hellmich, Bariton
Merkur, Götterbote - Karl-Friedrich Hölzke, Tenor
Diana - Friederike Apelt, Sopran
Cupido - Gudrun Fischer, Sopran
Die öffentliche Meinung - Hannerose Katterfeld, Alt
Styx - Werner Enders, Tenor
Operette in zwei Akten (vier Bildern) von Hector Cremieux
Musik: Jacques Offenbach
- Operettenquerschnitt -

Seite 1
Ouvertüre
(Bearbeitung: C. Binder)
Und wieder geht ein Tag zu Ende!
Die öffentliche Meinung bin ich!
Ich bin die Frau Eurydike
Chor, öffentliche Meinung, Eurydike
So ist das? So? - Ja, mein Coco!
Duett Orpheus,  Eurydike
Du, Verräter, Attentäter! . Ja, die öffentliche Meinung, die dein Treiben überwacht
Orpheus, öffentliche Meinung, Chor
Wohlan! Jetzt ist es Zeit
öffentliche Meinung, Orpheus, Chor

Seite 2
Rafft euch auf!
Jupiter, Venus, Cupido, Diana
Eh hopp. Eh hopp. Platz dem Merkur!
Rondo des Merkur. Juno, Jupiter
Um die Alkmene zu verführen
Metamorphosenrondo Diana, Cupido, Pluto, Chor
Ich kann es nicht länger ertragen
Couplet des Bedauerns Eurydike
Als ich einst Prinz war in Arkadien
Arkadien-Couplet Styx
Willst du partout dir ein Weibchen erringen    Ich glaubte hier etwas zu fühlen
Couplet von der Schwierigkeit der Liebe und Fliegenduett
Cupido, Styx, Jupiter
und Eurydike, Jupiter
Hoch Pluto und sein Feuerwein!
Höllenchor Alle Solisten, Chor
Jung wird man dabei!
Menuett, Göttercancan und Chor Jupiter, Chor, alle Solisten

- Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin -
Walter Hartwig, Solovioline
Rundfunkchor Leipzig
Choreinstudierung: Horst Neumann
Dresdner Philharmonie
Dirigent: Robert Hanell
Musikregie: Eberhard Geiler
Tonregie: Claus Strüben

Jacques Offenbach, der gewitzte Spötter und Theaterbesessene, etablierte in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts jenes in bestem Sinne närrische Musenkind, das sich erst nach und nach zu seinem Namen bekannte: die Operette. Mit einem Geniestreich trat sie ins Leben - ein durchaus spektakuläres .Hoppla, da bin ich!' -; ein paar Großtaten standen am Anfang ihres Weges, der vom Gipfel eigentlich nur bergab führen konnte. Der Übermut des Cancan mündete dann wenig später in die gemütvolle Eleganz des Walzers, der bissig-ironische, von Herzen unernste Weltblick machte bald schon unverbindlicher Unterhaltsamkeit Platz, und es dauerte gerade fünf Dezennien, bis der Griff nach Psychologie und Sentimentalität die Fäden zur gesunden Tradition heiteren Volkstheaters zunächst endgültig durchschnitt. Man mag es die Tragik der Operette nennen, daß ihre Chancen im Gefüge bürgerlichen Unterhaltungsbetriebs von Anfang an nicht die besten waren - das hat schon Offenbach zu spüren bekommen. Schon er fühlte sich nach den Jahren seiner Meisterwerke in die Zwickmühle zwischen Publikumsgunst und Gesellschaftsattacke geraten: Sein Aufblasen des ORPHEUS IN DER UNTERWELT zu einem glanzvollen Ausstattungsstück nicht einmal zwanzig Jahre nach der Uraufführung läßt daran keinen Zweifel. Mit Offenbach war das Theaterphänomen Operette aus unterschiedlichen Anregungen auf die Bühne gestiegen; und in Offenbach hatte es sich bereits vollendet. Es war ein schwerer, zermürbender Anfang gewesen. Immer wieder hatte der junge, tatendurstige Köln-Pariser zum Sprung aufs Theater Anlauf genommen, und immer wieder endeten seine theatralischen Ambitionen im Konzertsaal oder im Parfümduft langweiliger Salons. Konzertsaal und Salons wurden jedoch auch zum Forum erster buffonesker Versuche, kleiner musikalischer Szenen oder Sketche. Als der vielseitige Herve ein Boulevard-Theaterchen eröffnete, in dem solcherart Bouffonerien - für die nicht mehr als zwei Darsteller benötigt wurden - das Repertoire bildeten, kam auch Offenbach einmal mit einer Groteske zum Zuge. Mit zwei weiteren „Operas comiques" - LE MARIAGE AUX LANTERNES und PEPITO - erntete er bei anderen Unternehmen nur mäßigen Erfolg. Es wollte nicht vorangehen, Herve war ihm zuvorgekommen, Offenbach war am Resignieren. Da bot sich Gelegenheit, ein winziges Gauklertheater in günstiger Lage zu erwerben, damit endlich auf eigenen Füßen zu stehen und zudem ein wenig vom (Touristen-)Rahm der Pariser Weltausstellung von 1855 abzuschöpfen. Das Wagnis gelang, die Behörden bewilligten Offenbach sogar drei Darsteller - ein Drittel mehr, als Herve auf die Bretter bringen durfte -, und der Premierentag der „Bouffes-Parisiens",der 5. Juli des Weltausstellungsjahrs, wurde zu einem denkwürdigen Tag der Theatergeschichte. DIE BEIDEN BLINDEN zogen als zentraler Spaß des Eröffnungsprogramms die Aufmerksamkeit auf sich und auf Offenbach. Werkchen auf Werkchen folgte, unter ihnen, nun in eigener Regie, auch jene, die einst geringe Gegenliebe gefunden hatten. Offenbachs Unternehmen avancierte binnen kurzer Zeit zur Unterhaltungsattraktion; bald schon konnte in ein festeres und geräumigeres Haus umgezogen werden; Gastspielreisen machten die „Bouffes-Parisiens" mit ihren übermütigen, meist spöttelnden Darbietungen berühmt. Mit dem Erfolg nahmen die Ansprüche zu, die Offenbach weitaus bereitwilliger zu befriedigen suchte, als die Einnahmen es zuließen. Eine neue Lizenz erlaubte ihm die Beschäftigung einer unbegrenzten Darstellerzahl. Das Finanzgebäude geriet ins Wanken und bedurfte der Befestigung durch irgendein „Wunder". Und dieses „Wunder" ging am 21. Oktober 1858 in Szene; zunächst freilich nicht als solches erkannt. Die respektlose Antike-Adaption ORPHEE AUX ENFERS bedurfte erst eines temperamentvollen Presse-Duells, um von der schockierenden Seltsamkeit zur bestürmten Sensation aufzurücken. Als das Publikum mit der Nase darauf gestoßen wurde, daß hier an allen Ecken die Gegenwart durchschimmerte, eilte es herzu, die Delikatesse zu genießen: Man ließ den Bonbon auf der Zunge zergehen - ohne zu merken, daß er gar nicht süß schmeckte. Man fand den neuen, frechen Ton amüsant, reizvoll - eine neue Nuance im Ablenkungsrausch des zweiten Kaiserreichs; und man delektierte sich an Offenbachs Gesellschaftskritik, indem man sie einfach mißverstand.
Dieses Mißverständnis hat Offenbachs Werke, insbesondere den ORPHEUS IN DER UNTERWELT, auch in der Folgezeit begleitet. Das bürgerliche, gar das spätbürgerliche Operettentheater wußte gerade mit diesem genialen Stück wenig anzufangen; das ist verständlich. Dennoch ist's grotesk, daß Offenbachs Name nach seiner Zeit durchaus nicht mehr auf den Bestsellerlisten der Musikbühnen zu finden war. Er wartete in den Archiven auf den Tag seiner Wiedergeburt. Einzelne Unternehmungen wie die ORPHEUS-In-szenierungen Reinhardts und Gründgens' kokettierten trotz aller Meisterschaft im Detail mit der Unverbindlichkeit in ihrer Aussage. Karl Kraus, der aufrechte und streitbare Offenbach-Prophet, mußte vor der Verfemung des Komponisten durch die Nationalsozialisten verstummen. Nach 1945 begann hierzulande die längst fällige Renaissance, an der Walter Felsensteins Berliner Inszenierungen einen wesentlichen Anteil haben. Und doch zeigt sich noch bis in unsere Tage, unter anderem Vorzeichen freilich, die Unsicherheit vieler Regisseure vor einem Werk wie ORPHEUS IN DER UNTERWELT. Woran mag's liegen?
Offenbach hat vorgeführt, daß die Operette den Atem ihrer Zeit braucht, um leben zu können. Als er mit dem später auf eigenen Wunsch ungenannt bleibenden Hálevy und mit Cremieux gemeinsam den ORPHEUS schrieb, dachte er zweifellos mehr an die Gesellschaft, die unter der hohlbäuchigen Ägide Napoleons III. ihr oft durchaus zweifelhaftes Lebensspiel betrieb, denn an die Welt Homers und des klassischen Altertums. Die Geschichte von Orpheus und Eurydike, dereinst von zahlreichen Opernkomponisten besungenes Hohelied von Musik und tragischer Liebe, wird parodiert: Eurydice folgt Pluto leichten Fußes in die Abwechslung des Hades, und Orpheus feiert das Dahingehen seiner Ehefrau mit einem pietätlosen Luftsprung. Was einst Verklärung der Musik schien, erscheint jetzt als Belästigung durch Musik: Eurydike fühlt sich durch die Berufsausübung des seriösen Musikprofessors am Konservatorium Theben, Orpheus, akustisch angegriffen und überhaupt vernachlässigt. Ihr Weggang, so meinen letztlich beide, bringt Frieden ins bürgerliche Heim. Somit wäre die Sache spätestens nach dem ersten Bild in - wenn auch nicht bester, so doch gewisser - Ordnung. Hier nun setzt die fast boshafte List der Autoren ein: Sie erfinden eine Person, die so tut, als sei sie mit dieser Lösung nicht einverstanden, und die unter Gebrauch durchaus unfeiner Mittel — Erpressung etwa - mit allen Beteiligten darum ringt, die eheliche Scheinharmonie bei Musikprofessors zu restaurieren. Die Dame wird als „öffentliche Meinung" vorgestellt - wir würden heute wohl der Eindeutigkeit wegen das Attribut „bürgerlich" hinzufügen. Die Kritik an der doppelbödigen Moral der Gesellschaft ist treffend und kaum zu übersehen. Doch das Gemälde wird noch totaler, über und unter der Erde tummeln sich antike Götterscharen; doch es bedurfte eigentlich nur eines Blickes, um in ihnen die Porträts der „Götter" des zweiten Kaiserreichs zu erkennen. Es ist in unseren Tagen wiederholt, auch auf der Bühne, versucht worden, diese direkten Bezüge auszuformulieren. Das mag bis zu einem gewissen Grade gelingen - und ist doch nur die halbe Wahrheit. Die Chronique scandaleuse des zweiten Kaiserreichs, als die Offenbachs Meisterwerke - auch - gelten dürfen, können heute nicht mehr denn historisches Interesse beanspruchen. Wäre der ORPHEUS, um bei unserem Beispiel zu bleiben, nicht mehr als ein Stück von aktuell-kabarettistischer Brisanz, dann wäre seine Wirkung wohl mit dem Geschichte-Werden dieser Aktualität verblichen. Das Bemühen, jene Aggressivität von einst durch neue Bezüglichkeiten zum Angriff gegen reale gesellschaftliche Konstellationen außerhalb unseres Landes aufleben zu lassen (auch das wurde versucht), bleibt ebenso hinter Offenbach zurück. Denn nicht zufällig hat sich die Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft mit freundlich-bleibender Antike-Parodie verbunden, und nicht zufällig ist das Ganze mit einer Musik voll sprühenden Temperaments und voller Lebenslust übergössen. Mit einer Musik, die sicher zu charakterisieren weiß, die Ironie, Spott und Witz gleichermaßen in ihrem Repertoire hat. Mit einer Musik, die über die Negation hinausgeht. Der Rausch und das Furioso des Cancan sind mehr als ein klug gewähltes Zeitsymbol.
Die in die Zukunft führende, progressive Ebene zu leugnen, hieße, Offenbach zum Zyniker zu stempeln. Satirische Bissigkeit ist aber nicht mehr als ein Farbtupfen in des Meisters heiter-komischer Konzeption. Und so steht denn die konventionelle Bürgerlichkeit oder auch, wenn man will, das Bürgerlich-Konventionelle des Orpheus dem olympischen Bacchanale gegenüber, das unzweifelhaft einer Befreiung aus diesen Konventionen das Wort redet. Die Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft zugunsten eines sinnenfrohen, von der Einengung durch widernatürliche Normen freien Daseins ist das bleibende aktuelle Thema der genialen Operette. Direkte Analogien sind ein Mittel des Künstlers, die Gesellschaftskritik total werden zu lassen, die Gesellschaft insgesamt zu attackieren. Doch hat die Musik ihre eigenständige Funktion: Sie macht nachdrücklich auf jene Doppelbödigkeit aufmerksam, in der die Nicht-Menschen-Welt des ORPHEUS IN DER UNTERWELT zu sehen ist. Orpheus, der sich von Eurydike befreit fühlt, bleibt der Gefangene. Nur so läßt sich wohl dieses brillante Einstandswerk des von der Volkstheatertradition ausgehenden neuen heiter-musikalischen Genres heute gültig interpretieren und wahrnehmen.
Hans-Gerald Otto (1970)

Mehr Informationen
ArtikelnummerAmiga 8 45 072
ProduktnameOrpheus in Der Unterwelt (Operettenquerschnitt)
Preis9,90 €
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InterpretVarious Artists
Name - TitelOrpheus in Der Unterwelt (Operettenquerschnitt)
LabelAMIGA
MedientypLP / Vinyl 12"
Vinylgewicht pro Schallplatte140 gramm
Anzahl der Platten1
BeilagenKeine
Allgemeiner PlattenzustandGebraucht
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