Orpheus in Der Unterwelt - Gesamtausgabe

Orpheus in Der Unterwelt - Gesamtausgabe

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Orpheus in Der Unterwelt - Gesamtausgabe

JACQUES OFFENBACH - Orpheus in der Unterwelt
Operette in zwei Akten von Hector Cremieux unter Mitarbeit von Ludovic Halevy
Gesamtaufnahme

Jupiter, Vater der Götter
Diana, Göttin der Jagd
Merkur,  Götterbote
Venus, Göttin der Liebe
Cupido, Sohn der Venus
Pluto, Herrscher der Unterwelt, zunächst in der Gestalt des Aristeus, eines Schäfers
Hans Styx, Faktotum des Pluto
Orpheus, ein Musiklehrer
Eurydike, Gemahlin des Orpheus
Die öffentliche Meinung

Chor der Kölner Oper
Einstudierung: Hans Wolfgang Schmitz
Philharmonia Hungarica
Dirigent: Willy Mattes

Benno Kusche, Bariton Grit
van Juten, Sopran
Gerd W. Dieberitz, Sprechrolle
Kari Lövaas, Sopran
Brigitte Lindner, Sopran
Ferry Gruber, Tenor
Theo Lingen, Gesang
Adolf Dallapozza, Tenor
Anneliese Rothenberger, Sopran
Gisela Litz, Alt

Übernahme von EMI Electrola GmbH Köln

Die Handlung
Orpheus, der Direktor des Thebanischen Konservatoriums, und Eurydike sind ihrer Ehe seit langem überdrüssig und trösten sich über diesen fatalen Zustand anderweitig: Orpheus bei seinen Musikschülerinnen und Eurydike bei dem Schäfer und Honigfabrikanten Aristeus, der in Wirklichkeit kein Geringerer ist als Pluto, der Gott der Unterwelt. Auf Orpheus' dennoch vorhandene und nun gekränkte männliche Eitelkeit rechnend, suggeriert Pluto-Aristeus diesem einen wahrhaft teuflischen Plan. Eine Schlange soll mit ihrem Biß den anonymen Liebhaber Eurydikes ins Jenseits befördern. Der Schlangenbiß trifft jedoch, wie insgeheim beabsichtigt, Eurydike und auf diese Weise gelingt es Pluto, die Dame seines Herzens in die Unterwelt, das Jenseits, zu entführen. Die Nachricht vom Tod seiner Frau nimmt Orpheus zum Entsetzen der Öffentlichen Meinung ohne allzuviel Trauer, ja mit einem gewissen Maß an freudiger Erleichterung auf. Nur widerstrebend beugt er sich den Vorhaltungen der Öffentlichen Meinung, seine Gattin beim Olymp zurückzuerbitten - auf daß er späterhin als das Muster getreuer Gattenliebe gelten könne.
Die Kunde von Eurydikes Verschwinden ist bis zum Olymp gedrungen. Der Chef der Götter, Jupiter, wird von seiner Gemahlin Juno verdächtigt, der Schuldige zu sein. Überhaupt verblüfft die menschliche Art des Streites der Göttlichen. Glücklicherweise überbringt der Götterbote Merkur die Meldung, Pluto sei der schamlose Räuber. In der Göttergesellschaft ist man empört und andererseits entzückt von der skandalösen Abwechslung in den olympischen Gefilden. Die Affäre Eurydike kommt Jupiter nicht ungelegen, bietet sie doch die Möglichkeit, Pluto, dessen Aktivitäten seit längerem seine göttlichen Absichten kreuzen, zur Rechenschaft zu ziehen und überdies noch seinen aufmüpfigen Mitgöttern ein Beispiel intensiven Leitungsstils zu geben, eine drohende Revolte gegen sein olympisches Regime zu verhindern. Pluto, zur Rechenschaft geladen, leugnet. Orpheus bringt, sekundiert und beaufsichtigt von der Öffentlichen Meinung, seine Klage vor. Jupiter verfügt die Rückgabe Eurydikes und beschließt zur Überwachung seiner Weisung, sich selbst an den Ort des Geschehens, in die Unterwelt zu begeben. In der Unterwelt langweilt sich Eurydike nach geradezu höllisch. Auf Plutos Geheiß hin eingesperrt, bleibt ihr als einzige Unterhaltung nur Styx, Plutos Faktotum, der sie fortwährend mit eintönigen Liebeserklärungen belästigt. Pluto leugnet vor Ort immer noch Eurydikes Anwesenheit. Hartnäckig auf der Suche läßt sich Jupiter alle Gemächer zeigen. In eine wunderschöne Fliege verwandelt, gelingt es ihm, zu ihr vorzudringen und ihr die ersehnte Abwechslung zu bringen. Beide verabreden einen Fluchtplan. Während des von Pluto organisierten Unterweltsfestes für die gelangweilte Götterschar soll die Flucht geschehen. Doch Pluto vereitelt dies. Schließlich nahen höchst unpassend Orpheus und die Öffentliche Meinung, um Eurydike abzuholen. In seiner Schläue findet Jupiter auch hier einen Ausweg: Orpheus soll seine Gattin nur dann zurückerhalten, wenn er sich auf dem Wege zum Ausgang der Unterwelt auch nicht ein einziges Mal zu ihr umblickt. Unter gestrenger Aufsicht der Öffentlichen Meinung macht Orpheus keinerlei Anstalten, sich nach der Gattin umzusehen. Da schleudert Jupiter, nach wie vor voll Begierde nach Eurydike, einen göttlichen Blitz und -Orpheus blickt sich erschrocken um und ist schließlich mehr erleichtert als bekümmert, die Gattin endgültig verloren zu haben. Eurydike darf bleiben, erhält die Dienststellung einer Bacchantin, deren Dasein nunmehr ausschließlich der Lebensfreude und der Sinnenlust geweiht ist. Und damit ist wirklich allen ob Jupiter, Pluto, Styx oder den anderen Interessenten am besten gedient. Nur die Öffentliche Meinung muß unverrichteter Dinge von dannen ziehen.



Komponist und Werk:
Jacques Offenbach nennt man den ersten Vollender der Gattung Operette, ist doch sein Name auf diesem Gebiet der erste, der Weltklang besitzt. Wenn das Heitere im Musiktheater neben Ernst und Tiefsinn Berechtigung gewonnen hat, wenn die Operette zu lachen und zu lächeln vermag, wenn sie sich mit Spott, Witz, Parodie und Ironie, mit hinreißenden tänzerischen Rhythmen und spritzigen Melodien ihr eigenes Wirkungsfeld zu erobern und bis heute zu behaupten vermochte, dann hat Jacques Offenbach daran einen entscheidenden Anteil. So gehören seine Werke, die mit musikalischem Charme und Geist faszinierenden großen Offenbachiaden „Orpheus in der Unterwelt", „Die schöne Helena", „Ritter Blaubart" und „Pariser Leben" zum wohl unvergänglich gewordenen goldenen Fond der Operette.
Offenbach war 1819 als Sohn eines jüdischen Kantors in Köln geboren worden. Den 14jährigen hochmusikalischen Knaben brachte der Vater, um ihm die bestmögliche Ausbildung zu sichern, am Pariser Konservatorium unter. Doch schon nach einem Jahr war Jacob, wie er damals noch hieß, des lästigen Schulbetriebes überdrüssig und verließ die berühmte Anstalt. Bei Fromental Halevy, einem damals hoch angesehenen Komponisten, erhielt er später Unterricht in Kompositionslehre und führte ansonsten ein sehr lustiges Bohemeleben mit anderen kölnischen Musikern in Paris.
Bis an sein Lebensende blieb Jacques Offenbach dieser Stadt treu. Bald erregte der junge Cello-Virtuose Aufmerksamkeit in den eleganten Pariser Salons. Er erlangte schließlich die Anstellung als Kapellmeister an dem Theätre-Prancais. Doch das war nicht der Weg, der ihm vorschwebte. 1855 kaufte er ein winziges Theaterchen an den Champs-Elysees, unweit des Palastes der Weltausstellung, das er „Les bouffes Parisiens" (Pariser Spaße) nannte. Für diese „Bonboniere", wie die Pariser bald das kleine Theater nannten, komponierte er seine berühmten witzigen Einakter und musikalischen Spaße. In wenigen Monaten waren die „Bouffes" zur Sensation der Metropole geworden. Der erste große Erfolg war das komische Duo „Die beiden Blinden". Allabendlich strömte das Publikum der Weltausstellung in die „Bouffes". Offenbachs Einakter überstürzten sich nun förmlich. In zwei Jahren brachte er nicht weniger als 25 Operetten eigner Komposition zur Aufführung. Offenbach wurde bekannt, berühmt, hatte den Nerv dieser Stadt, ihrer Bewohner, dieser Zeit, richtig gespürt und genau getroffen. Längst hatte das Publikum hinter der vermeintlichen Harmlosigkeit den aggressiven Spötter entdeckt, der so manches unterschwellige Problem dieser Gesellschaft, das allen nur zu bekannt war, aufspießte.
Auch die Beschränkung der zuständigen Behörde, nach der in diesen kleinen Stücken nicht mehr als vier Personen auftreten durften, fiel 1858 weg. Schließlich konnte Offenbach das Theatre Comte mieten, um seine Pläne komponierend, dirigierend und inszenierend weiterzuverfolgen. Enthusiastisch vom Publikum gefeiert wurde Offenbach auf dem Wege über die vermeintlich absichtslosen musikalischen Spaße zu einem der geistvollsten Kritiker seiner Zeit.
Offenbachs Name ist mit dem zweiten Kaiserreich der Franzosen (1852-1871) untrennbar verbunden. Waren nach Napoleons Sturz 1815 durch die Alliierten zunächst die degenerierten Bourbonen zurückgekehrt, wurde diese feudal-klerikale Restauration durch die revolutionären Unruhen von 1830 hinweggefegt. Ebenso erging es auch jenem „Bürgerkönig" Louis Philippe. 1848 schließlich schob die mächtige Finanzbourgeoisie Louis Napoleon, einen angeblichen Neffen Napoleons als Präsidenten an die Spitze der wiederhergestellten Republik. Das Unternehmen verlief so erfolgreich, daß es diesem recht zweifelhaften Aufsteiger schon 1852 möglich war, sich zum Kaiser aller Franzosen krönen zu lassen. Der stete Wechsel von Monarchie und Republik, der an den grundlegenden gesellschaftlichen Verhältnissen ohnehin nichts änderte, erfuhr damit eine beinahe theatralisch-groteske Variante, war doch dieser nichts weniger als unantastbare Kaiser, sein Hof und sein Regime eine mehr als dankbare Zielscheibe für einen solch entlarvenden Spötter vom Schlage eines Jacques Offenbach. Der hohle Pomp, die schamlose Korruption und die moralische Fragwürdigkeit dieser kaiserlichen Unternehmung, die der Komponist aufs Korn nahm, machten seine Operetten zum satirisch-ätzenden Abbild jener Epoche zwischen den beiden großen Pariser Weltausstellungen von 1855 und 1867, wo sich die Großbourgeoisie als Inkarnation des Fortschritts selbst feierte. Was da so faszinierend an Offenbach wirkte, war, daß er mit Phantasie und höchst unterhaltsam die Wahrheit über dieses Kaiserreich, über seine Akteure. Profiteure, seinen Machtapparat, seine verschwenderischen Genüsse und seinen inneren Zerfall offenbarte. Aus diesen sozialen Bedingungen wuchs Offenbachs Operette und zeigte mit der Präzision eines Seismographen notwendige gesellschaftliche Veränderungen an. Den Schritt zur größeren Form musikalisch, stofflich und optisch vollzog Offenbach 1858 mit der bewußten Hinwendung zur Satire, zum Zeitstück mit „Orpheus in der Unterwelt". Die Idee, die antike Orpheus-Legende ins Komisch-Parodistische zu wenden, war indes nicht neu. Schon seit dem 18. Jahrhundert hatte der antike Sangeskünstler, der angeblich die Natur mit seiner Stimme zu Tränen zu rühren vermochte, Dichter und Komponisten zur Parodie herausgefordert. Dittersdorf schrieb 1788 ein Singspiel „Orpheus der Zweyte" und 1793 eine Gluckparodie unter dem Titel „Le petit Orphee". 1846 hatte in Paris ein Spektakel „Les dieux d'Olymp ä Paris" starken Zulauf. Daher mag Offenbachs Idee stammen, in Zusammenarbeit mit den Textdichtern Hector Cremieux und Ludovic Halevy eine Orpheus-Parodie zu schreiben.

Doch erst nachdem die dirkriminierende Beschränkung auf vier Darstell in Offenbachs Theaterlizenz überwunden war, konnte der Olymp den Plänen der Autoren angemessen bevölkert und das Projekt energisch vorangetrieben werden. Mitten in der Arbeit am zweiten seiner Anstellung in einem Ministerium wegen aus. Immer offensichtlicher wurde den Textdichtern, daß Offenbach keinesfalls nur auf eine weitere Antike-Parodie aus war. Immer klarer trat zutage, was sich mit antiker Staffage tarnte und den „Orpheus" immer frecher und gefährlicher machte. Die harmlose Burleske wandelte sich zu einem frechen Spottbild auf des dritten Napoleons halbseidene Herrlichkeit. Cremieux schrieb das Libretto des „Orpheus" allein zu Ende. Die Premiere am 21. Oktober 1858 wurde von Publikum und Kritik mit viel Beifall, mit den Worten „erstaunlich, graziös, reizend, melodiös, amüsant, die Ausstattung Gustave Dores süperb" aufgenommen. Die Sensation allerdings war es nicht. Man hatte Offenbach wohl nicht gleich verstanden. Der Erfolg nahm ab, der Besuch fiel ab von Abend zu Abend. Offenbach und seine Mitarbeiter begannen zu ändern, zu streichen, zu verbessern. Nach sechs Wochen sahen sie sich vor die Tatsache gestellt, das Theater schließen zu müssen. Doch da geschah ein Wunder.
Anzunehmen, der Name Jules Janin sei bekannt, ist wohl übertrieben. Dennoch ist diesem Herrn die Rettung des „Orpheus" zu danken - und er ist damit in die Geschichte der Operette, ohne es im geringsten beabsichtigt zu haben, eingegangen. Dieser Janin war ein zu seiner Zeit gefürchteter Kritikerpapst, und er hatte empört die boshafte Genialität des Werkes durchschaut. Am 5. Dezember veröffentlichte Janin im „Journal des Debats" einen wutschnaubenden Artikel. „Welche Profanation des glorreichen Altertums ist dieser Orpheus", zürnte da donnernd der Kritikerfürst, der sich zu einem Besuch der „Bouffes" herabgelassen hatte. Offenbach und Cremieux nutzten die Aufmerksamkeit, die ihnen durch das Donnerwort zuteil wurde und wehrten sich bissig-polemisch im „Figaro" bis sie die Lacher auf ihrer Seite hatten. Solcherart stutzig gemacht, begriffen die Pariser, daß in dieser Orpheus-Parodie noch etwas anderes abgehandelt wurde, als blasse Witzeleien über die antike Sagenwelt. Alle Welt diskutierte über den „Orpheus" und lief in Scharen ins Theater, sich diese aktuelle Komödie selbst anzuschauen. Pressefehden solcherart machten damals die beste Reklame. Und war nicht durch eine Stückfigur wie „Die Öffentliche Meinung" auch ein Literat wie Jules Janin zum Spottobjekt für seine hohlen anmaßenden Phrasen geworden? Die aktuelle Achse, die Offenbach und Cremieux ihrem Werk eingezogen hatten, beschränkte, das fanden die Pariser allmählich immer genauer heraus, sich jedoch nicht nur darauf. Janins Zorn zeigte auf die Verspottung eines viel brisanteren, eines politischen Sakrilegs. Man erkannte in dem lüsternen Jupiter den Herrscher eigner Gnaden Napoleon III. und mit ihm seine ganze Kamarilla. Wie doppeldeutig auch immer - hier trat politische Satire in der Hülle der Frivolität auf und formulierte unüberhörbar ihren Protest gegen ein korruptes Machtgefüge und Staatswesen. In dem hier der falsche Glorienschein, die aufgeblähte Würde, die ausgehöhlte Autorität und die angemaßte Macht dem Spott und der Entlarvung preisgegeben wurden, griff diese Offenbachiade das Regime mit verwandelnder Kraft an. Nur allzu deutlich blitzten diese Motive immer wieder durch die Drapierung. Mit einem Lachen entzauberte Offenbach den falschen Schein, der das zweite Kaiserreich umgab und regte seine Zeitgenossen mit seiner Phantasie an, über diese „chronique scandaleuse" nachzudenken. Gleichzeitig hatte er damit der Operette ihr ureigenstes Wirkungsfeld entdeckt und sie stofflich von der opera comique abgegrenzt. Wie in einem Zerrspiegel konnte sich die bessere Gesellschaft des zweiten Kaiserreichs betrachten und konnte ihrem Bild nicht entgehen. Offenbach und Cremieux hatten nun die öffentliche Meinung auf ihrer Seite. Die Aufführungsserie wollte kein Ende nehmen. Es war ein Welterfolg entstanden.
Musikalisch zwingend war der Bereich unschuldiger Heiterkeit verlassen. Regierte in der Großen Oper, deren Abgott Meyerbeer war, Pomp und Pathos, so funkelte Offenbachs Partitur vor subtilen Anzüglichkeiten und vernichtender Charakterisierungskunst. Offenbachs Kunst lag in der treffsicheren Kennzeichnung einer Person, einer Szene, einer Atmosphäre. Rossini nannte ihn den „Mozart der Champs-Elysees". Chor, Ballett und große Ensembleszenen ordnete dieser außerordentliche Musiker der Bühne ganz organisch dem dramatischen Geschehen ein. Das Hinreißendste, alles entfesselnde Element jedoch brachte der Wirbel des Can-Can ein. In ihm drohte zu den rasenden Klängen des Orchesters eine im Genuß taumelnde Göttergesellschaft zu versinken. „Wir tanzen hier auf einem Vulkan - aber wir tanzen! Der Can-Can ist nämlich ein Tanz, der nie in ordentlicher Gesellschaft getanzt wird, sondern nur auf gemeinen Tanzböden, wo derjenige, der ihn tanzt, unverzüglich von einem Polizeiagenten ergriffen und zur Tür hinausgeschleppt wird. Es ist kaum begreiflich, wie das Volk unter solch schmählicher Kontrolle seine Heiterkeit und Tanzlust behält", schrieb Heinrich Heine damals. Und bald brach dieser aus Algerien stammende Tanz auch in Vergnügungsetablissements der Bourgeoisie und des Adels ein - als Ventil der Sinnenlust, um im Rausch und Strudel des Genusses zu schwelgen, anderes zu verdecken. War die Marseillaise im „Orpheus" ein direkter Affront, so sind es im bacchantischen Höllengalopp des Can-Can feine, bedrohliche Zutaten, die in der Orgie der Götter die Katastrophe erahnen lassen. An keinem Punkt jedoch verliert sich diese Musik vollends in die satirisch-kritische Zuspitzung oder begnügt sich nur mit Komik. Immer wieder klingen Heiterkeit, Witz, Zierlichkeit und Ursprünglichkeit auf, wo Offenbachs Vorstellung eines hellen und harmonischen Zusammenseins der Menschen musikalische Gestalt annimmt. Er zeigte den Abgrund, doch an seinem Rande ließ er tanzen.
Hatte die selbsternannte öffentliche Meinung vor dem „Orpheus" zunächst verloren und ließ sich das Argument des Antikesakrilegs nicht länger behaupten, rang sich die angesprochene Gesellschaft zu einem neuen Mißverständnis - um ihrer selbst willen - durch: das Meisterwerk sei eine Hymne auf die Gesellschaft des zweiten Kaiserreiches. Bei Strafe des Gesichtsverlustes verdrängte man die Elemente der Zeitsatire aus dem Bewußtsein und genoß den Rausch der sprühenden Melodien, des hinreißenden Can-Can. Und dieser bot ja auch die Möglichkeit, sich an den koketten Dessous der Tänzerinnen zu erfreuen, die sonst unter steifen Krinolinen verborgen waren. Im Laufe der Aufführungsserien waren überhaupt manch zarte Bande vom Parkett zur Bühne geknüpft worden. Nach der 228. Aufführung des „Orpheus" waren die Sänger so erschöpft, daß man die Serie erst einmal unterbrechen mußte. Bald aber wurde sie fortgesetzt.
April 1860 erschien der „Orpheus" als Gala-Benefiz für Offenbach, zu dem der Kaiser sein Erscheinen zugesagt hatte unter der Bedingung, daß man diese Operette spiele. Mit einem kostbaren Geschenk traf danach die kaiserliche Versicherung ein, daß er nie die glänzende Soiree vergessen werde, die er dem „Orpheus" verdanke. Die Operette „Orpheus in der Unterwelt" war also zum Wahrzeichen der Epoche geworden, auch die Verlachten amüsierten sich in ihr. Das Neue an ihr, die zeit- und gesellschaftskritische Haltung wurde noch oft verkannt. Wie die Offenbachiaden von innen her dazu beitrugen, das morbide System zu sprengen, so sehr ganz Europa diese souveräne Verzerrung belachte, so teuer war diese Aktualität mit der Bindung an ihre Zeit erkauft. Sie war ein soziales Phänomen ihrer Epoche. Nach der Katastrophe des Kaiserreichs trat ihr Einfluß zurück. Karl Krauß, dem geistvollen Literaten ist die zu Anfang der zwanziger Jahre Neubesinnung und Neubewertung der Werke Offenbachs, eine „Offenbach-Renaissance" zu danken, deren Wirkung bis heute anhält.
102 größere und kleinere Bühnenwerke schuf der unermüdliche Offenbach. Ernstester Ausdruck seines Schaffens, worin noch einmal neben allem lockeren Spott seine tiefe humanistische Botschaft als Dramatiker der Bühne aufklingt, wurde seine große Oper „Hoffmanns Erzählungen", deren Aufführungen er nicht mehr erlebte. Oktober 1880 starb er mitten im Schaffen an diesem kühnen Hochflug seiner Phantasie.
Offenbachs Melodien voller Heiterkeit und Spott, der Schwung und die Eleganz seiner Musik haben sich über die Zeiten immer neue Freunde erworben. Und es sind nicht zuletzt die faszinierenden Widersprüche und Kontraste in seinem Lebenswerk, die immer wieder als Summe der heiteren Lebensmöglichkeiten, mit dem Esprit ihres künstlerischen Maßes aufmerksam machen darauf, wie Offenbach mit der phantasiebelebenden Unvernunft der Operette die geistvollste Erkenntnis unserer selbst befördert.
Ulrich Burkhardt (1983)

Mehr Informationen
ArtikelnummerAmiga 8 45 250 - 8 45 251
ProduktnameOrpheus in Der Unterwelt - Gesamtausgabe
Preis14,90 €
LieferzeitIm Schallplattenladen Stralsund
InterpretVarious Artists
Name - TitelOrpheus in Der Unterwelt - Gesamtausgabe
LabelAMIGA
MedientypLP / Vinyl 12"
Vinylgewicht pro Schallplatte140 gramm
Anzahl der Platten2
BeilagenKeine
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