Louis Armstrong 1 - 1923-1927

Louis Armstrong - 1923-1927
1
Foto Titelseite:
von links
Louis Armstrong
Johnny St. Cyr
Johnny Dodds
Kid Ory
Lil  Hardin-Armstrong


King Oliver's Jazz Band:
King   Oliver,   Louis  Armstrong   (c)
Honore Dutray (tb)
Johnny Dodds (cl)
Lil  Hardin (p)
Bud Scott (bj)
Baby Dodds (d)
1   High  Society  Rag
(Porter - Steele - Melrose) rec. 22. 6.  1923
2  Where Did You Stay Last Night
(Armstrong —  Hardin) rec. 23. 6. 1923
Louis Armstrong and his Hot Five:
Louis Armstrong (c, talking) Kid Ory (tb, talking) Johnny Dodds (cl) Lil   Hardin-Armstrong (p) Johnny St. Cyr (bj, voc-break)
3  Gut Bucket Blues
(Armstrong)
rec. 12. 11.  1925
Gleiche Besetzung, aber nur instrumentale Ausführung
4  My Heart
(Hardin)
rec.  12. 11. 1925
Gleiche Besetzung, aber Armstrong auch (voc)
5  Heebie Jeebies
(Atkins - Rieh - Jones) rec. 26. 2.  1926
Gleiche Besetzung, aber nur instrumentale Ausführung
6  Cornet Shop Suey
(Armstrong) rec. 26. 2.  1926
Butterbeans and Susie (voc) mit Louis Armstrong and his Hot Five:
Gleiche Besetzung
7 He Likes lt Slow
(Overstreet) rec.  16. 6. 1926
Louis Armstrong and his Hot Five:
Louis  Armstrong   (c,  talking)
Kid Ory (tb)
Johnny Dodds (cl)
Lil Hardin-Armstrong (p, talking)
Johnny St. Cyr (bj)
Clarence Babcock (talking)
8 The King Of The Zulus
(Hardin)
rec. 23. 6.  1926
Louis Armstrong and his Hot Five:
Louis Armstrong (c, voc)
Kid Ory (tb)
Johnny Dodds (cl)
Lil  Hardin-Armstrong (p)
Johnny St. Cyr (bj)
9 Lonesome Blues (Hardin) rec. 23. 6.  1926
Bertha Chippie Hill (voc) mit Begleitung:
Louis Armstrong (c) Richard M. Jones (p)
10  Pleadin' For The Blues
(Hill - Jones) rec. 23. 11.  1926
11   Pratt City Blues
(Hill - Jones) rec. 23.  11. 1926
Sippie Wallace (voc) mit Begleitung:
Louis Armstrong (c) unbekannt (cl) Hersal Thomas (o) unbekannt (g)
12 The Flood Blues
(Wallace - Granger) rec. 6. 5.  1927
Louis Armstrong and his Hot Seven:
Louis Armstrong (c, voc)
Kid Ory (tb)
Johnny Dodds (cl)
Lil  Hardin-Armstrong  (p)
Johnny St. Cyr (bj)
Pete Briggs (tuba)
Baby Dodds (d)
13 Gully Low Blues
(Armstrong) rec. 14. 5. 1927
Louis Armstrong and his Hot Five:
Louis Armstrong (c, voc)
Kid Ory (tb)
Johnny Dodds (cl)
Lil   Hardin-Armstrong  (p)
Johnny St. Cyr (bj)
14  The Last Time
(Ewing — Martin)
rec. 6. 9.  1927
Gleiche Besetzung, aber nur instrumentale Ausführung
15  Got No Blues
(Hardin) rec. 9. 12. 1927
Gleiche Besetzung, aber Armstrong auch (voc)    und    zusätzlich Lonnie Johnson (g)
16  l'm Not Rough
(Hardin)
rec. 10. 12. 1927
Alle Aufnahmen erfolgten in Chicago


„Louis Armstrong  komm  unverzüglich  nach Lincoln Gardens Chicago habe Job .für dich dreißig Dollars in der Woche King Oliver" -dies Telegramm erreichte „Satchmo" im Sommer 1922 in seiner Heimatstadt New Orleans. Es gab für ihn kein Zögern. Später berichtete er: „Als King Oliver, der größte Trompeter seiner Zeit, mich im Jahre 1922 aufforderte, New Orleans zu verlassen und zu ihm nach Chicago zu kommen, sprang ich vor Freude an die Decke." Und: „Als ich dazukam und zweite Trompete spielte, waren sieben Mann in der Band. Es waren herrliche Zeiten. Am nächsten Tag kam ich zur Arbeit und alles klappte gleich wie am Schnürchen. Schon am ersten Abend stolperten Joe und ich über einen kleinen Gag, auf den vor uns noch nie zwei Trompeter verfallen waren. Während die Band ungerührt weiterspielte, beugte sich der King an einer bestimmten Stelle im Chorus, meistens beim ersten Schluß, zu mir rüber, bewegte die Ventile seiner Trompete und spielte leise die Töne, die er spielen wollte, wenn der Break kam. Ich hörte zu und dachte mir gleichzeitig die zweite Stimme aus, die ich dazu spielen wollte. Wenn dann der Break kam, mußte ich meine Stimme so bringen, daß sie genau zu seiner paßte. Als die Leute das hörten, brachten sie sich fast um." 40 Schallplattenaufnahmen  machte Armstrong  zusammen   mit King Oliver's Creole Jazz Band, die alle als bedeutende Beispiele des klassischen New-Orleans-Jazz anzusehen sind; zwei dieser Titel aus dem Jahre 1923 leiten unsere Schallplatte mit Dokumenten der frühen Entwicklung des „King of Jazz" ein: der „High Society Rag", der auf eine alte französische Quadrille zurückgeht, und „Where Did You Stay Last Night", komponiert von Armstrong und der Pianistin der Band, Lil Hardin. Lil wurde bald Louis' dritte Frau und hat wesentlichen Anteil an seiner musikalischen Weiterentwicklung gehabt. Der Musiker Preston Jackson erzählt: „Ich glaube, wenn Lil nicht gewesen wäre, stünde Louis heute nicht da, wo er steht. Durch sie ist er immer größer und besser geworden. Sie hat dafür gesorgt, daß er Joe Olivers Band verließ und sich auf eigene Füße stellte. Und ihr ist es zu verdanken, daß dann hier und da ein paar Leute auf ihn aufmerksam geworden sind." 1924/25 saß er in New York in der Big Band von Fletcher Henderson und machte Schallplattenaufnahmen mit Clarence Williams' Blue Five, den Red Onion Jazz Babies, Perry Bradfords Jazz Phools und natürlich Fletcher Henderson and his Orchestra. Außerdem gehörte er in Studiositzungen zu den Begleitern solcher bedeutenden Bluessängerinnen wie Bessie Smith, Ma Rainy, Clara Smith und Trixie Smith. Ende 1925 kehrte Armstrong nach Chicago zurück; hier spielte er bis 1927 nacheinander im Ensemble seiner Frau, Lil's Dreamland Syncopators, in Erskine Tate's Vendome Orchestra, in Carroll Dickerson's Orchestra und mit einer eigenen Formation, die sich Louis Armstrong and his Stompers nannte. In dieser Zeit leitete er auch seine Hot Five und Hot Seven, zwei Studiogruppen, die ausschließlich für Schallplattenaufnahmen zusammengestellt waren. Ihnen ist der größte Teil unserer Platte gewidmet (die früher erschienene Schallplatte Amiga 85 00 11   enthält gleichfalls 5 Titel dieser Ensembles). Im „Gut Bücket Blues" aus der ersten Aufnahmesitzung der Hot Five werden nadv einander die Musiker der Gruppe vorgestellt: der Banjoist Johnny St. Cyr und die Pianistin Lil Hardin-Armstrong, die für das rhythmischharmonische Gerüst der Musik zu sorgen hatten, der Posaunist Kid Ory, der durch seinen  kraftvollen  „tailgate"-Stil  bekannt wurde, der Klarinettist Johnny Dodds, der schon zur Band von King Oliver gehörte und bei dessen Spiel  besonders der gekonnte Übergang von tiefer zu hoher Stimmlage verblüfft, und schließlich Louis Armstrong, dessen Kornett frisch und unbekümmert, wenn auch manchmal etwas amateurhaft unsauber erklingt. Alle Aufnahmen haben einen ausgesprochen volksmusikalischen Charakter, vor allem „The King Of The Zulus" mit der Atmosphäre des  Mardi  Gras, des ausgelassenen  Faschingsfestes von New Orleans. Selbst da, wo ein Tagesschlager das Thema gibt
- wie in dem Titel mit dem Komiker-Sängerpaar Butterbeans and Susie
—  finden wir echtes und tiefes Bluesgefühl. Besonderen Reiz gewinnt die Aufnahme „l'm Not Rough" durch die Mitwirkung des Bluesgitarristen  Lonnie Johnson. Bei einigen Nummern ist Armstrong auch in der ihm eigenen Weise als Sänger zu hören, unter anderem mit Seat-Gesang, bei dem statt eines Textes nur aneinandergereihte Silben erklingen. Dazu Kid Ory: „Heebie Jeebies war damals das, was man heute den .Schlager Nr. 1' nennen würde. Das ist die Aufnahme, wo Louis die Worte vergessen hatte und anfing, Seat zu singen. Wir hatten  unsere liebe  Mühe,  nicht plötzlich   laut loszulachen.  Natürlich sagte Louis später, er hätte den Text vergessen, aber ich weiß bis heute nicht, ob das wahr ist oder ob er es nicht vielleicht mit Absicht gemacht hat. Wie dem auch sei: es war der Aufhänger für die Platte." Last not least sei noch auf die drei Titel der Bluessängerinnen Bertha Chippie Hill und Sippie Wallace hingewiesen, bei denen Armstrong zu den Begleitern gehört. Die Aufnahmen mit Chippie Hill ähneln den berühmten Bessie Smith-Louis Armstrong-Nummern; typisch ist das Korrespondieren zwischen Stimme und Kornettspiel, bemerkenswert Armstrongs Solo, bei dem sich eine ergreifende Bluesstimmung ausbreitet. „The Flood Blues" mit Sippie Wallace ist moderner, aber nicht weniger reizvoll. Den Freunden und Verehrern „Satchmos" gibt unsere Platte einen Einblick in seine wohl schöpferisch  produktivste Zeit, sie enthält  Musikbeispiele, die den  Kenner wie den  Laien gleichermaßen erfreuen werden.                                                       Werner Sellhorn