Hans-Hasso Stamer - Digital Life

Hans-Hasso Stamer - Digital LIfe
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Kompositionen: Hans-Hasso Stamer Titel 8: Maurice Ravel Arrangements: Hans-Hasso Stamer
Hans-Hasso Stamer, elektronische Instrumente
Aufnahmen: Rundfunk der DDR (Produktion: Walter Cikan/ Frohgemut Schnabel)
Redaktion: Matthias Hoffmann (1989)

Digital Life - oder vom irrwitzigen Vergnügen, Computer zu programmieren Dies ist die Platte, auf die ich schon sehr lange gewartet habe. Und nun ist sie endlich da - hier in Ihrer Hand - Stamers Erste. Sie aber werden vielleicht fragen: Mußte sie denn wirklich sein? Wir haben doch schon Pond. Und Servi. Und Lakomy. Und wie sie alle heißen. Eben gerade darum. Weil wir Pond haben. Und Servi. Und Lakomy. Und wie sie alle heißen. Darum ist mir Stamer so wichtig. Sie aber werden weiter fragen: Wer ist das denn überhaupt - dieser Stamer? Wieder so ein Schwindler, der nur zu Hause vor seinem Computer sitzt und die Sounds der Kollegen klaut? - Entschuldigung, -sampelt (so sagt man ja heutzutage dazu).
Und dessen musikalisches Geschick sich ansonsten darin erschöpft, diese Klänge dann irgendwie so zusammenzubasteln und zu verschachteln, zu triggern, zu editieren, oder zu was-weiß-ich-was-alles-geht, das Ganze hernach mit einem schicken neuen (natürlich auch geklau ... gesampelten) Rhythmus zu versehen, daß am Ende keiner mehr was merkt? Denken Sie das?
Dann ist es wohl besser, sie stellen die Platte gleich wieder in's Regal zurück. Oder wenn Sie der Meinung sind: schon wieder so'n „New-Age"-Quark. Von wegen kosmischer Harmonie in verloren schwebenden kristallenen Sphären und so. Auch dann ist Stamer nichts für Sie. Mein Gott, der macht's aber spannend, denken Sie an dieser Stelle bestimmt, wer ist er denn nun wirklich, dieser Stamer? Wie soll man sagen, der ist irgendwie einfach ein Typ.
Seine Bude müßten Sie mal sehen - herrlich.
Atmet eine gewisse, nun ja... eigenwillige Auffassung von geordneten Verhältnissen: vollgestellt mit allen möglichen teils mühsam zusammengesparten und -gekauften, teils selbstgebauten Apparaten. So vom Computer bis hin zur Eieruhr. Stamer kann halt den gelernten Computer-Ingenieur nicht verleugnen. Will er wohl auch gar nicht.
Genausowenig, wie er beispielsweise ... aufräumen will. Wenn man einmal quer durch sein Zimmer gekommen ist, ohne sich in irgendwelchen Strippen zu verfangen, den ständig heißen Lötkolben zu streifen, über Zeitungsberge zu stürzen, auf sein Notenpapier zu treten oder ein Instrument umzuschubsen, ist man schon gut. -Gelingt ihm übrigens auch nicht oft. Und was das Erstaunlichste ist: mittendrin in diesem Universum aus Lötzinn, Mikro-Chips und dem Blick auf die F 96 ensteht diese Musik. Seine Musik. So einer ist Stamer.
Gewissermaßen der Elektriker unter den Musikern. Oder der Musiker unter den Elektrikern. Ganz wie man will. Nebenbei ein großer Liebhaber von Ravel, Fan des Parsteiner Sees und seines Surfbrettes. Und natürlich nächtelanger, stummer Programmier-Gespräche mit seinem 16-bit-Rechner.
Aber das werden Sie ja alles selbst hören. Und seien Sie ruhig mißtrauisch. Denn man kann schon so allerhand zaubern mit diesen Geräten, die auf solche klangvollen Namen hörenwie DX7, DX7/II, CS30, JP4, JX10, D 110, D 500, EPS, S 900 und RX 5. Aber wenn Sie zweimal hinhören, bleibt trotzdem immer wieder nur MUSIK übrig. Gute Musik. Irdische Musik. Keineswegs abgehoben und deshalb sehr menschlich. Musik, die einen drauf bringen kann. Oder runterdrücken. (Kommt ganz drauf an.) Und deshalb ist dies die Platte, auf die ich schon so lange gewartet habe.
Achim Gröschel