Gerry Wolff - Porträt in Noten

GERRY WOLFF - Porträt in Noten
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VON DER ARBEIT AUFGEWACHT
Musik und Text: Georg Herwegh

GUANTANAMERA
Südamerikanisches Volkslied (musikalische Neufassung: Hector Angulo/Pete Seeger) Text: Jose Marti

WER MIR GEGENÜBERSTAND
Musik: Gerd Natschinski Text: Hartmut König

FRAGE NICHT
Musik: Mikis Theodorakis
Deutscher Text: Walter Vorwerk

BALLADE VON HO CHI MINH
Irisches Volkslied (musikalische Neufassung:
Ewan McCoil)
Deutscher Text: Gerry Wolff

GRÜNDE
Musik: Günther Fischer
Text: Erich Fried

AS DER REBBE ESST
Jiddisches Volkslied (musikalische Neufassung: Gerd Natschinski)

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JE NE CHANTE PAS POUR PASSER LE TEMPS
Musik und Text: Jean Ferrat

VERTRÄUMTER NOVEMBER
Musik: Arno Babadshanjan Text: Dieter Schneider

HASTA SIEMPRE
Musik und Text: Carlos Puebla

FREDMANS LIED (... worin er mit des Königs Töchterlein Beilager hält)
Musik: Carl Mikael Bellmann
(musikalische Neufassung: Gerd Natschinski)
Deutscher Text: Peter Hacks

GREENSLEEVES
Altenglisches Volkslied

LIEBESBALLADE FÜR EIN MÄDCHEN NAMENS LEYLA
Musik (und Satz): Werner Pauli
Text: Francois Villon, dt: Paul Zech
Werner Pauli, Gitarre

DIE ROSE WAR ROT
Musik: Gerd Natschinski Text: Jürgen Degenhardt

Arrangements, Dirigent und künstlerische Gesamtleitung: Gerd Natschinski
Tonregie: Gerhard Kossatz

Theater, Film und Fernsehen haben ihn als Darsteller unverwechselbarer Charakterrollen bekannt werden lassen; seitdem er 1956 „Das Chanson von der Trommel" kreierte, weiß man um seine stimmlichen Fähigkeiten: Wer jedoch glaubt, damit Gerry Wolff zu kennen, die Vielseitigkeit seines Talents erfaßt zu haben, wird erstaunt sein, wieviel erregend Neues er auf dieser LP anbietet. Was vorher einzelne Titel auszeichnete und profilierte, verdichtete sich hier nun zum parteilichen Bekenntnis, zum Porträt eines gereiften Künstlers. Unter den von Gerry Wolff ausgewählten Chansons, Liedern, Balladen und Songs gibt es nichts, was halb oder unverbindlich wäre. Die Wahrhaftigkeit der Themen erlaubt den schlichten, verständlich-einfachen Vortrag,  dessen Wirkung   und  Überzeugungskraft um so nachhaltiger ist. Ein Lied Georg Herweghs, eines der wirksamsten Lyriker der 1848er Revolution, gibt der Zusammenstellung die richtige Einstimmung. „Von der Arbeit aufgewacht" ist nach wie vor aktuell. Wenn es zu der kraftvollen  Melodie heißt „... zerreißt die Ketten von Sklavenzwang", so wird nicht nur die Aufgabe unseres Jahrhunderts deutlich, sondern zugleich den Bürgern sozialistischer Länder das Gefühl vermittelt, zu den Siegern der Geschichte zu gehören. „Wer mir gegenüberstand", vergegenwärtigt am Beispiel einer Episode der Schlacht an der Wolga, daß nur die Freundschaft mit der Sowjetunion Unterpfand allen Fortschritts sein kann. Wieviel Ketten der Sklaverei in unserer Welt noch zu zerbrechen sind, läßt das Theodorakis-Lied „Frage nicht" erkennen. Die „Ballade von Ho chi Minh" bestätigt, daß das Ringen der Völker um ihn Freiheit, um sozialen Fortschritt weltweit geworden ist. Dem gleichen Thema widmete der kubanische Volkssänger Carlos Puebla sein Lied „Hasta siempre". Entstanden im Juli 1967, besingt es die edle revolutionäre Gesinnung, die hohen moralischen Qualitäten von Ernesto Che Guevara. Gerd Natschinskis Ballade „Die Rose war rot", für die Gerry Wolff 1966 in Sopot mit dem Sonderpreis der polnischen Presse ausgezeichnet wurde und die ihm beim kubanischen Chansonfestival 1967 den Ehrennamen „Caballero de la Rosa" einbrachte,  beschließt diesen  Komplex, mahnend, auffordernd, alles für die Erhaltung des Friedens einzusetzen. Ein musikalisches Porträt von Gerry Wolff wäre indes unvollständig, würden Texte und Melodien fehlen, die zum befreienden Lachen   herausfordern   und   mit  fein   dosierten Florettstichen überlebtes und Muffiges treffen. Eine Kostbarkeit für sich, wie „As der Rebbe esst" als spritziger Dixieland vorgetragen wird; nicht minder deftig „Fredmans Lied". Daß Gerry Wolff auch die verhaltenen Töne zu  meistern versteht, zeigen „Greensleeves", „Verträumter November" und die gesprochene „Liebesballade" von Villon.
Diese LP beweist es: Gerry Wolff ist kein Sänger im herkömmlichen Sinne —  wie heißt es in dem Chanson von Jean Ferrat? — „Ich singe nicht zum Zeitvertreib!" Ob Gerry spricht oder singt, immer fesselt seine Stimme durch die Intensität des Vortrags. Der aufmerksame Zuhörer spürt, daß hier Gesehenes  und  Erlebtes — aus den Jahren der englischen Emigration, der tätigen Teilnahme am Werden unserer Republik — einfließen. Bearbeitet, arrangiert und aufgenommen — außer „Gründe" und „Liebesballade" — wurden die Titel von Gerd Natschinski. Wie er mit ökonomisch eingesetztem Instrumentarium die Schauplätze nachzeichnet, Elemente lateinamerikanischer und griechischer Folklore verwendet und dennoch die Einheitlichkeit seines Musikstiles zu wahren versteht, wie er mit prägnanten Motiven Wesenszüge von Personen und Situationen voneinander abhebt,  Stimmungen,  Gefühle, Temperamente verstärkt oder zurücknimmt und wie schließlich die begleitende Umrahmung genutzt wird, um die Stimme Gerry Wolffs in ständig neuem  Lichte erscheinen zu lassen, das alles reizt im Wechselspiel kontrastreicher Strukturen zum Weiterhören und erschließt dem Schallplattenfreund die Tiefen ausdrucksstarker Musik. Der geschlossene Eindruck, den diese LP hinterläßt, verweist auf die hohe künstlerische Vollendung, die im Zusammenspiel der Kräfte erreicht wurde; insbesondere zwischen Gerry Wolff und Gerd Natschinski. Der Hörer spürt, daß   hier  Freude  an  der gemeinsamen  Arbeit und parteiergreifendes Wollen übereinstimmen. Das Erlebnis dieses musikalischen Porträts wird daher noch lange nachschwingen.
H. P. Hofmann