Friedhelm Schönfeld & Hubert Katzenbeier

Friedhelm Schönfeld & Hubert Katzenbeier

Seite 1
Trio - Dimensionen
(Schönfeld)
Friedhelm Schönfeld - Trio
Friedhelm Schönfeld (Id, cl, as, ts) Klaus Koch (b) Günter Sommer (d)

Seite 2 Quartett
(Katzenbeier)

Ballade (Katzenbeier)
Blues - Fasching
(Katzenbeier)

Hubert Katzenbeier -Quintett
Hubert Katzenbeier (Id, tb)
Konrad Körner (fl, ts)
Manfred Schramm (p)
Hans Schätzke(b)
Wolfgang Winkler (d)
rec. Oktober/ November 1972 AMIGA-Studio Berlin
Musikregie: Jürgen Lahrtz
Tonregie: Siegbert Schneider

Diese Schallplatte gehört zu den Raritäten im Amiga-Katalog. Ihr Wert für den Jazzfreund ist schon heute erkennbar: Zwei der reifsten Gruppen -das Friedhelm Schönfeld-Trio und das Hubert Katzenbeier-Quintett-dokumentieren die Entwicklungstendenzen und das künstlerische Leistungsvermögen des zeitgenössischen Jazz in der DDR. Das Friedhelm Schönfeld-Trio gibt es in der Besetzung Schönfeld, Koch, Sommer seit dem Frühjahr 1967 (gegründet wurde es im Herbst 1966). Langjährige Zusammenarbeit ließ aus den drei Solisten ein Kollektiv werden, in dem jeder feinnervig auf die musikalischen Einfälle des anderen eingeht Obgleich Friedhelm Schönfeld als Komponist der Trio-Dimensionen genannt wird, meint er: „An diesem Stück haben alle komponiert."
Es wurde lediglich vorher abgestimmt was in den drei Abschnitten motivisch erscheinen soll, und es wurde die ungefähre Folge der Chorusse festgelegt Alles andere ist ein Resultat der freien, ungebundenen Rede und Gegenrede der drei Musiker. Da es kluge, wissende und humanistisch gebildete Leute sind - in deren Gedanken und Gefühlen sich unsere Zeit wiederspiegelt-, vermögen sie mit ihrem musikalischen „Dreiergespräch" auch die Zuhörer zu fesseln. Es ist das erklärte Ziel, den Kontakt zum Hörer zu suchen, ihn einzubeziehen. Spüren die drei Instrumentalisten, daß sich die von ihnen gewährten Themen erschöpft haben, so bringen sie neue, interessante Motive ins ..Gespräch" und schaffen damit neue Spannungsfelder.
Dazu Friedhelm Schönfeld: „Der sogenannte Free Jazz verlangt von den Musikern eine sehr bewußte und disziplinierte Auswahl der Mittel, soll nicht ein Stück wie das andere klingen. Wir sind nicht mehr dem alten abendländischen Schönheitsideal des ,Nur-Wohlklangs' verpflichtet. Mir persönlich ist ein kritischer Zuhörer lieber. So muß man immer neu arbeiten, um ihn zu überzeugen, zu gewinnen."
Das Wissen um die Bedeutung des Publikumkontakts kommt nicht von ungefähr. Nachdem Friedhelm Schönfeld in Berlin Klarinette studiert hatte, spielte er ab 1957 in vielen Bands mit 1960 wurde er Mitglied des Berliner Rundfunk-Tanzorchesters unter Günter Gollasch. Er verließ diesen Klangkörper nach elfjähriger Zugehörigkeit um sich den Verpflichtungen als Jazzmusiker und den Aufgaben als Komponist und Arrangeur für Film, Funk, Fernsehen und Schallplatte zu widmen. Die Kenntnis der differenzierten Hörerwartungen des Musikpublikum's kommt zweifelsohne auch Klaus Koch zugute. Nach Beendigung des Kontrabaß-Studiums in Leipzig musizierte er in verschiedenen Formationen und ging anschließend ebenfalls zum Rundfunk-Tanzorchester, dem er heute noch angehört. Daneben wirkt er in zahlreichen Jazzgruppen mit - Der Schlagzeuger Günter Sommer kommt von der Dresdner Musikhochschule." Er spielte u. a. bei Klaus Lenz, den Gruppen SOK und Ulrich Gumpert mit.
In der DDR gibt es kaum eine repräsentative Jazzreihe, in der das Friedhelm Schönfeld-Trio nicht schon mitgewirkt hat. Gastspielreisen führten die drei Musiker 1969 nach Schweden. 1970 nahmen sie am Prager Jazzfestival teil. Sie gehörten zu den gefeierten Gästen der Jubiläumsveranstaltung: „50 Mal Jazz in der Kammer" (gemeint sind die Berliner Kamm erspiele).
Die Musik des Hubert Katzenbeier-Quintetts wird sich den Hörern möglicherweise leichter erschließen, da sie in stärkerem Maße Gemeinsamkeiten zu vertrauten Musizierstilen des Jazz aufzuweisen hat ohne deswegen weniger originell und stilbildend zu sein. Dem Spieltrieb der einzelnen Musiker wird keine Schranken auferlegt, so daß sie in den Chorussen ihre Individualität frei entfalten können. Das Kollektiv hervorragender Solisten gibt Hubert Katzenbeier Gelegenheit, seinen Ruf, einer der besten europäischen Jazzposaunisten zu sein, unter Beweis zu stellen.
Konzerte und zahlreiche Rundfunksendungen ließen das Hubert Katzen-beier-Quintett in der DDR und im Ausland bekannt werden. Immer mehr Jazzfreunde finden an dieser Musik, die herrlich swingt, prall und freudvoll ist, Gefallen. Der Titel Quartett verrät, daß er ursprünglich für ein geplantes Katzen beier-Quartett (ohne zweiten Bläser) konzipiert wurde. Dem verhaltenen Thema schließen sich gekonnte solistische Passagen an. Für sich selbst schrieb Hubert Katzenbeier eine Ballade. Sie gibt ihm die Gelegenheit den runden, modulationsfähigen Ton seiner Posaune voll zur Geltung zu bringen. Der Titel Blues-Fasching hebt sich von den vorangegangenen ab. Den Themen werden hier bewußt „freiere" Passagen gegenübergestellt Sie geben den Musikern die Möglichkeit ein packendes Spannungsfeld zu schaffen, das nicht Selbstzweck ist sondern sich als überzeugender Höhepunkt im Verlauf des ganzen Musikstückes erweist. Blues-Fasching ist ein interessantes Ergebnis der kontinuierlichen Entwicklung des Hubert Katzenbeier-Quintetts. Die fünf Musiker lassen hier das Spektrum der Möglichkeiten des zeitgenössischen Jazz deutlich werden. Und genau das macht den Wert der vorliegenden Platte aus. Sie ist ein lebendiger Beitrag zu einer Musik, deren faszinierende Lebenskraft sich auch in unserer Zeit erneut beweist.
H.P. Hofmann (1973)