Franz Schubert, Johannes Brahms, Dieter Zechlin ‎– Impromptu As-dur op. 142 Nr. 2 / Intermezzo Es-dur op. 117 Nr. 1

Dieter Zechlin, Klavier Franz Schubert Impromptu As-dur op. 142 Nr. 2 Die Impromptus op. 90 und op. 142 für Klavier entstanden 1827, im letzten Lebensjahre Franz Schuberts, also in zeitlich unmittelbarer Nähe des zweiten großen Liederzyklus „Winterreise". Angeregt durch die Kompositionen Jan Hugo Voriseks und Jan Vaclav Tomáseks hatte der Wiener Meister im lyrischen Klavierstück eine Form gefunden, die (im Gegensatz zur Sonate) seinen liedhaften, meist auf scharfe Kontraste verzichtenden musikalischen Erfindungen entgegenkam. Diese (von Schuberts Verleger Haslinger aus kommerziellen Gründen sogenannten) Impromptus, in denen der Komponist ohne eigentliche Virtuosität, oft in schlichtestem Klaviersatz, hohe, an inneren Werten und Gegensätzen reiche Empfindungen auszudrücken vermochte, wurden beispielgebend für die Klaviermeister der Romantik, insbesondere für Schumann  und Brahms. Das As-dur-Impromptu, op. 142 Nr. 2, zählt zu den bekanntesten und beliebtesten dieser Gattung. Sein Hauptteil, Allegretto, wird von einer äußerst eingängigen und sangbaren achttaktigen Melodie getragen, deren Wiederholung, lediglich um eine Oktav nach oben transponiert, einen völlig neuen Klang gewinnt. Ein knappes, durch Abwandlung des Hauptthemas entstandenes Seitenstück bringt auf Moll-Sextakkorden einen ersten Höhepunkt. — Das Trio (Des-dur) lebt von der Triolenbewegung. Dabei bleiben starke verwandtschaftliche Beziehungen zum Hauptteil (Rhythmus des Basses, Wiederholung in der höheren Oktav) offensichtlich. In rauschenden Akkordbrechungen, bis fortissimo gesteigert, wird vom Contra-Eis bis zum viergestrichenen Cis fast der gesamte Tonumfang des Klaviers ausgenutzt. Erst nachdem sich dieser Sturm gelegt hat, erklingt noch einmal der gesamte Hauptteil. Johannes Brahms Intermezzo Es-dur op. 117 Nr. 1 „Letzte Monologe" nannte der Wiener Kritiker Eduard Hanslick die aus dem Sommer 1892 datierten Klavierstücke (op. 116—119) des fast sechzigjährigen Johannes Brahms. Unter dem Eindruck der Schlichtheit und Strenge des reiferen Schumann und der männlichen Kraft und Logik Beethovens schuf Brahms Klaviermusik von höchst komprimierter humanistischer Aussage. Aus jedem Takte spürt man den Geist des Volksliedes, mit dem sich der wahrhaft aus dem Volke Geborene seit früher Jugend schöpferisch und nachschöpferisch auseinandersetzte. Niemals hat Brahms das Kulturgut im Sinne des herrschenden Zeitgeschmacks aufgeputzt oder verwässert, wie es vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts so oft geschah. Für ihn trugen die Melodien eine zeugende Kraft. Wenn er sie bearbeitete, gab er innen Gültigkeit für alle Zukunft, nahm er sie zum Vorwurf seines kompositorischen Schaffens, schwangen sie sich zu  höchsten  Kunstformen  empor. Dem Intermezzo Es-dur, op. 117 Nr. 1, liegt ein schottisches Wiegenlied (aus Herders „Stimmen der Völker") zugrunde: „Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schön! Mich dauert sehr, dich weinen sehn." Von einer beseelten Melodie werden Liebe und Trauer der verlassenen unglücklichen Mutter nachempfunden. Es ist ein einfacher Satz, ohne jeden äußeren Effekt, der nur durch seine Cantilene und die etwas herbe Harmonik wirkt. Der langsamere Mittelteil in es-moll, mit dem ostinaten Baßmotiv, spricht von Entsagung und Leid. Fast durchweg pianissimo, werden dem Klavier die dunkelsten Töne entlockt. Dagegen erscheint die Wiederholung jener sanften Es-dur-Melodie wie eine liebevolle Versöhnung. Eberhard Rudolph