Dixieland Mit Den Jenaer Oldtimer

Dixieland Mit Den Jenaer Oldtimer

Seite 1
Wir lieben das fröhliche Leben - (Jugendlied)
Moskauer Fenster - (Tichon Chrennikow)
Weihertal-Blues - (Klaus Schneider)
Der fröhliche Wind - (Isaak Dunajewski)
Nobody Knows You When You're Down And Out - (Jimmy Cox)
High Society - (Traditionell)
Guter Mond, du gehst so stille - (Volkslied)
Seite 2
Wir sind die Sänger aus Finsterwalde - (August Rothe)
Wandern, ach, wandern - (Volkslied)
In Jene lebt sich's bene - (Klaus Schneider - nach  Motiven eines alten  Studentenliedes)
Kasseturm-Rag - (Ulrich   Gumpert)   Ulrich   Gumpert,   Klavier
In der Hammerschenk' - (Rudolf Krauß)
Jada - (Bob Carleton)
Ach polnim, polna - (Russisches Volkslied)
LEITUNG: KLAUS SCHNEIDER
Musikregie: Jürgen Fromm
Tonregie: Gerhard Kossatz
Unvorhergesehen wurde aus dieser LP eine Jubiläumsausgabe: 1970 können die Jenaer Oldtimers auf ein zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Sicher gibt es „dienstältere" Formationen, doch daß eine begehrte Dixielandgruppe — bis auf den Bassisten — nun schon zehn Jahre zusammenhält, dürfte Ausnahmewert besitzen und das Geheimnis ihres Erfolges mitbegründen. Offenkundig fanden sich hier sieben Gleichgesinnte, die das Vergnügen am gemeinschaftlichen Improvisieren, am dreistimmigen, polyphonen Satz von Trompete, Klarinette und Posaune immer wieder zusammenführt. Aus dem Aufeinander-abgestimmt-Sein im Musikalischen und Persönlichen — der im Kollektiv improvisierende Musiker ist an das Thema, die harmonischen Abläufe und vor allem an seine Mitspieler gebunden — erklärt letztlich, warum mit dem ersten Ton dieser LP der Funke überspringt, der Hörer teilnimmt an einem lebensfrohen, frischen und zugleich so bereichernden Musizieren.
Klaus Schneider, Leiter der Jenaer Oldtimers, spricht es offen aus: „Unsere Musik soll im besten Sinne des Wortes Gebrauchsmusik sein. Bekannte Vorbilder nachzuahmen, ist leicht. Neues zu machen — viel schwerer. Am schwersten aber ist es, Eigenes und Originelles zu sdiaffen. Wir versuchen es, und oft gelingt's: ,Bierernstes' nicht zu ernst zu nehmen (Küchenlieder!) und uns andererseits mit Themen zu identifizieren, die uns nahestehen."
So finden sich auch im Repertoire der Jenaer, Oldtimers unter anderem viele harmonisch und melodisch reizvolle Lieder aus der Sowjetunion: „Der fröhliche Wind" (Dunajewski), „Moskauer Fenster" (Chrennikow). Doch selbst so altvertrauten Weisen wie „Guter Mond, du gehst so stille" und „Wir sind die Sänger aus Finsterwalde" steht eine Dixieland-Deutung nicht schlecht. Daß es den Jenaer Oldtimers auch bei den traditionellen Titeln nicht um die Wiederholung von oft Gehörtem geht, sondern um das Weiterführen des ideellen und musikalischen Gehalts, zeigt sich unter anderem bei dem sozialkritischen „Nobody Knows You When You're Down And Out" (Niemand kennt dich, wenn du erledigt bist.
Variieren des musikalischen Materials und Improvisieren sind für die Jenaer Oldtimers eine lebensvolle, urtümliche Kunstäußerung und als solche geeignet, Lebensgefühle und -haltungen zu stimulieren, die uns entgegenkommen. Daß dabei das Frische, unverwüstlich Humorvolle und Lebensbejahende überwiegt, macht ihre Musik nur noch liebenswerter und gefragter. Wie beispielsweise in der musikalischen Ausdeutung des alten Studentenliedes „In Jene lebt sich's bene", wo der Einleitung mit den modernen Jazzklavier-Passagen unvermittelt ein urwüchsiger Dixieland folgt, das ist zielgerichtet satirisch und humorvoll. Wenn dann gar noch die Tuba eine Kuh imitiert, wird deutlich, daß für die Jenaer Oldtimers der Jazz wirklich keine „bier-ernste', sondern eine höchst vergnügliche Angelegenheit ist.
Hinreichend bekannt als Komponist (die Palette reicht vom tanzmusikalischen „Abendlied" bis hin zu erfolgreichen Liedern der Singebewegung wie „Danke, weitermachen", „. . . gehört dem Volk"), Gitarrist und Sänger (unter anderem mit Christel Schulze) sowie als Redakteur bei Radio DDR ist der Klarinettist und Spiritus rector des Ganzen: Klaus Schneider. Er war noch Student der Musikpädagogik an der Universität Jena, da erklang bereits der variable Ton seiner Es-Klarinette — ein Erbstück des Vaters — in Jazzformationen. Als Musikerzieher an der Oberschule Stadtroda vermochte Klaus Schneider einige Lehrer-Kollegen von der musikerzieherischen Funktion des Improvisierens zu überzeugen. Das Ergebnis war die Rodaer Waschbrett Kapelle. Erinnerungen an jene Zeiten, da man kreuz und quer durch das Land zog und Dixieland, Skiffle, Polka- und Marschmusik bot, sind Titel wie „In der Hammerschenk' zur Tanzmusik" und „Wandern, ach, wandern". Das Ende dieser Kapelle — bedingt durch Dienstversetzungen und Traualtar — war zugleich der Start für die Jenaer Oldtimers 1960.
Posaune bläst seitdem der damalige Zeichenlehrer der Stadtrodaer Oberschule Rudolf Thiele (heute Assistent für Kunsterziehung an der Karl-Marx-Universität Leipzig). Als einstiger Sousaphon-Bläser der Rodaer Waschbrett Kapelle bringt er die nötigen Erfahrungen mit. Das Triumvirat der Melodiegruppe wird durch den Trompeter Klaus Weinhardt (Dreher bei VEB Carl Zeiss Jena, Betriebsteil Saalfeld) vervollständigt. Schlagzeuger ist Peter Kroneberger (Rundfunkmechaniker, Stadtroda), Tubist/Bassist Heinz Pietschmann (Mechaniker, Pößneck). Rolf Litzek (Feinoptiker, VEB Carl Zeiss Jena) übernahm 1960 für Harald Seime den Banjo-Part. Mit Harald Seime, dem Universitäts-Sportlehrer aus Jena, Träger des Staatspreises für künstlerisches Volksschaffen, verbindet die Jenaer Oldtimers heute noch das Programm „Jazz und Pantomime". — Als Pianist kam 1966 Jürgen Herscher (Lehrausbilder im VEB Carl Zeiss Jena) hinzu. Auf dieser LP sind weiterhin zu hören: Ulrich Gumpert (jetzt im Orchester Klaus Lenz) mit dem „Kasseturm-Rag" und der Bassist Hans Schätzke.
10 Jahre Jenaer Oldtimers. — Während dieser Zeit musizierten sie in nahezu allen größeren Städten der Republik, beim Deutschlandtreffen 1964, mehrere Male zu den Arbeiterfestspielen. Sie traten auf Straßen und Plätzen auf und nahmen an kaum noch zu zählenden Veranstaltungen teil. Ihr mitreißender Dixieland erreichte über den Äther — unter anderem als erste Stammkapelle von DT 64 — und über den Bildschirm das In- und Ausland. Die Arthur-Becker-Medaille in Silber (1964), der Kunstpreis des Bezirkes Gera (1966) sowie prall gefüllte Mappen mit Erinnerungsfotos und Dankschreiben sind eine Bilanz, in die sich diese Jubiläums-LP würdig einreihen wird.
H. P. Hofmann