Die Mädchen Von La Rochelle - Chansons Aus Dem Alten Frankreich

Die Mädchen Von La Rochelle - Chansons Aus Dem Alten Frankreich

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Die Mädchen Von La Rochelle - Chansons Aus Dem Alten Frankreich

Seite 1
Doppelballade (Um 1450)
Komposition: Unbekannt
Text: Francois Villon
Solist: Horst Schulze

Der Trottel (15. Jahrh.)
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Fania Fenelon

Aus Piemont zurück (16. Jahrh.)  
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Rolf Ludwig

Die Mädchen von La Rochelle (Um 1630)  
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Vera Oelschlegel

Das zweite Gesicht (17./18. Jahrh.)
Komposition: Guillenet Text: Unbekannt
Solist: Gerry Wolff

Pierrot im Mondenschein (17./18. Jahrh.)  
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Ruth Hohmann

Die drei Goldschmiede (17. Jahrh.)  
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Rolf Ludwig

Das furchtsame Mädchen (18. Jahrh.)    
Komposition: Unbekannt Text: Choderlos de Laclos
Solist: Gisela May

Die achtzig Jäger der Marquise (18. Jahrh.)  
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Horst Jacob

Seite 2
Götterfreuden (18. Jahrh.)  
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Gerry Wolff

Die Marquise de Pretintaille (Um 1830)
Komposition: Unbekannt
Text: Pierre-Jean de Beranger
Solist: Gisela May

Die Maus (1. Hälfte des 19. Jahrh.)  
Komposition: Unbekannt
Text: Pierre-Jean de Beranger
Solist: Horst Schulze

Die Regimentsposaune (1. Hälfte des 19. Jahrh.)  
Komposition und Text: Unbekannt
Solist: Vera Oelschlegel

Batignolles (2. Hälfte des 19. Jahrh.)    
Komposition und Text: Aristide Bruant
Solist: Rolf Ludwig

Strichnutten (2. Hälfte des 19. Jahrh.)  
Komposition: Guillenet
Text: Aristide Bruant
Solist: Ruth Hohmann

Im Bois de Boulogne (2. Hälfte des 19. Jahrh.)
Komposition: Guillenet
Text: Aristide Bruant
Solist: Horst Jacob

Der Fiaker (2. Hälfte des 19. Jahrh.)  
Komposition und Text: Leon Xanrof
Solist: Fania Fenelon

Madame Arthur (2. Hälfte des 19. Jahrh.)
Komposition: Yvette Guilbert
Text: Paul de Kock
Solist: Gisela May

Deutsche Übersetzungen: Wilhelm Neef
Arrangements: Alwin Altendorf
Studio-Orchester Leitung: Wilhelm Neef
Kein Volk der Welt lebt sich so in kleinen gesungenen Gedichten aus wie das französische. Vom Intimbereich bis zur Staatsaktion reicht sein Stoffgebiet und umfaßt alle Bereiche des Lebens. Man hat eine Geschichte Frankreichs in Chansons geschrieben. Hier wird versucht, einen Ausschnitt aus einer Sittengeschichte in Chansons zu geben.
Der Sittengeschichte steht man im Zeitalter des dialektischen Materialismus aufgeschlossener gegenüber als im vergangenen bürgerlichen Zeitalter. Man kann sogar sagen, daß die marxistische Philosophie erst eine wissenschaftlich begründete Sittengeschichte ermöglicht hat.
In diesem Lichte gesehen ist z. Bsp. das christliche Mittelalter durchaus nicht züchtig, sondern ungeschlacht und primitiv im Intimbereich gewesen. Den Begierden waren erst die äußersten Schranken gesetzt. Der kleine Horizont der kleinen Leute entsprach einem minimalen Katalog der sinnlichen Freuden. In dieser Zeit des Faustrechts und der drakonischen Strafen aß man nicht - man fraß, trank man nicht - man soff. Humor war Zote, Erotik, Derbheit. Tanz war Spiel mit der Entblößung; denn die Frauen trugen keine Beinkleider. Die Horte selbst der klerikalen Sitten-wacht - Kirchen und Klöster - waren Orte ungezügelter Ausschweifungen.
Mit der Zerstörung des mittelalterlichen ritterlichen Feudalismus kommt eine neue Zeit herauf: Die Renaissance mit ihrem der Antike nachempfundenen humanistischen Ideal. Kraftüberschwang, Gärung, Kühnheit kennzeichnen die Zeit der großen Entdeckungen. Die Wissenschaft strebt zum Atheismus und zur Umwälzung der Moral.
Francois Villon, 1429 in Paris geboren, Plebejersohn, Magister und Doktor der schönen Künste, Räuberhauptmann und Dichter, verkörpert den Typus seiner Zeit: Seine kühne Kraft, sein nie ermattendes Begehren, seine permanente Rebellion gegen Kirche und Feudaladel treten in seinen Liedern und Balladen lebendig vor uns hin.
Seine Doppelballade spricht den ganzen Mann aus. Sie ist autobiographisch und nimmt ihre Exempel aus der Bibel.
Von der Ehemoral der Zeit singt das anonyme Chanson vom Trottel und prangert die Rolle des Klerus an. Der Ehemann ist der ewige Hahnrei; und Ehebruch war der Sport der Zeit - wie schon bei den Troubadours.
Aus dem Landsknechtsleben um die Zeit des Friedensschlusses von Madrid (1526) zwischen Karl V. (1519-1556) und Franz I. von Frankreich (151 5-1547) berichtet das berühmte Chanson Aus Piämont sind wir zurück. Hier wird sittengeschichtlich etwas über die Funktion der Gasthäuser mitgeteilt aus dieser Zeit.
La Rochelle hat als Festung wiederholt seine Rolle in der französischen Geschichte gespielt: Zur Zeit des Hugenottenführers Admiral Coligny (1519-1572) und nach dem Tode Henri IV.(1589 -1610) bei der endgültigen Niederwerfung der Hugenotten.
Auf Die Mädchen von La Rochelle gibt es mehrere Chansons. Alle sind erotisch pointiert und von derbem Zuschnitt. Das hier zitierte ist gleichzeitig eine Satire auf die Heiligenverehrung des Katholizismus und seine typische Flucht der Erotik in die Heiligenverehrung.
Die Gegensätze zwischen Hof und Volk werden in den Chansons dieser und der folgenden Zeit bis zur Revolution von 1789 immer deutlicher. Einer erotischen Roheit und Derbheit beim Volk (und'bei den Soldaten) steht eine immer peinlicher werdende Impotenz und Verspieltheit und - in der Gegenreformation - ein immer übler um sich greifender heuchlerischer Pietismus entgegen, der bei Hofe gedieh.
Eine doppelte Satire auf Kallipygoskult bei Hofe und die Liebedienerei rund um den absolutistischen Thron Louis' XIV. ist das Chanson Vom zweiten Gesicht. Es spricht auch die primitive Geistesverfassung des „Sonnenkönigs" aus.
Wie eine Idylle des humanistischen Schönheitsideals des damaligen Bürgertums hebt sich vor diesem Hintergrund das heute noch berühmte und immer noch gesungene Chanson Pierrot im Mondenschein (Au clair de la lune) ab. Zum Teil noch aus dem 1 7. Jahrhundert stammend, ist es im 1 8. und 1 9. Jahrhundert durch Zurecht-singen und poetische wie musikalische Zutaten zu dem typischsten erotischen Chanson des französischen Bürgertums geworden. Auf die wundervolle Melodie sind immer wieder neue Texte gedichtet worden.
Für die Derbheit und Urkraft der bürgerlichen Erotik im Sinne eines Francois Rabelais (1484-1553), dem Schöpfer des „Gargantua", zeugt das phallisch pointierte Chanson von den  Drei Goldschmiedsjungen.
Die Trennung zwischen Adel und Volk vertieft sich immer mehr: Wird bei Hofe immer mehr impotente Liederlichkeit, was in der Renaissance Kühnheit und Kraft war, so wächst im Bürgertum die Besinnung auf die eigene Kraft, vor allem unter dem Einfluß der Aufklärung eines Rousseau (1712-1778) und eines Voltaire (1694-1778). Das Chanson spielt in dieser Zeit und in dem folgenden Jahrhundert eine bedeutende Rolle als Informations- und Agitationsinstrument, vor allem angesichts des vorherrschenden Analphabetismus in den unteren Volksschichten. Ein auch sittengeschichtlich bedeutendes Chanson aus der Feder des Autors „Gefährliche Liebschaften", Choderlos de Laclos (1741-1803) belegt den Typus des aufklärerischen Chansons, das im Gegensatz zu den höfischen, galanten Chansons das bürgerliche Ideal der natürlichen Liebe mit ihren Konsequenzen - dem Kind - darstellt. Natürlich dominiert hier die Freude am Erotischen, aber so, wie sie in der aufsteigenden bürgerlichen Klasse empfunden wurde.
Im Gegensatz dazu schildert das Pamphletchanson von den Achtzig Jägern der Frau Mar-quise die Nymphomanie einer Aristokratin. Vermutlich wird darin eine der bekannten Mätressen Louis' XV (1715-1774) dem Gelächter preisgegeben. Sowohl von der Pompadour (1721 -1764) wie von der Dubarry (1743-1793) behaupten Pamphlete solche Exzesse. Unser Chanson ist erst in der Hochzeit des Montmartre in die hier vorliegende Form gebracht worden, also in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Typisch für Pamphletchansons ist die beabsichtigte Abwertung der „Marquise" durch Darstellung ihrer Perversitäten. Eine Satire ganz großen Stils, die schon auf den späteren Jacques Offenbach (1819-1880) hinweist, ist das Chanson Götterfreuden. Die griechisch-römische Mythologie wurde von den Malern und Dichtern der absolutistischen Höfe des Rokoko immer wieder strapaziert, vor allem zur Verherrlichung der Fürsten und ihrer Mätressen. Der Chanson-Pamphletist wendet dasselbe Mittel mit umgekehrten Vorzeichen satirisch gegen die herrschende Klasse, um sie in den Augen des Volkes abzuwerten.
Die sittengeschichtlich interessanten Chansons der Revolutionszeit zeichnen sich durch drastische Aggressivität gegen Adel, Klerus und Hoflakaien aus.
Der größte Chansonnier zur Zeit Napoleons (1804-1814) und der ihm folgenden Restauration bis hin zum zweiten Kaiserreich Napoleons IM. (1852-1870) war Pierre-Jean de Beranger. Er griff den Weltmacntwahn Napoleons und die Restauration an und mußte wiederholt in die Gefängnisse seiner Chansons wegen. Ein Kind der Revolution (geboren 1780) war er bis zu seinem Tode 1857 der geniale Chansonnier vor allem des Vormärz 1830 und der Revolution 1848. Zur Zeit des Vormärz geißelte er die Rückkehr des parasitären Adels und Klerus. Das hier gebotene Chanson von der Marquise de Pretintaille decouvriert die herrschende Gesellschaft in einem Querschnitt: Adel, Klerus, korrupter bourgeoiser Abgeordneter, Lakai, Pächter, Offizier (und zwar einer noch aus der Zeit der Republik) und ausländischer Intervent paradieren durch das Bett der Marquise. Das Chanson ist zur Zeit des Bürgerkönigs Louis Philipp (1830-1848) entstanden.
Den Epikuräer Beranger zeigt das Chanson Die Maus. Romanische Sinnenfreude, Witz und Esprit zeichnen die unzähligen erotischen Chansons Frankreichs aus.
Die Zeit des Vormärz und des Jahres 1848 zeigen sittengeschichtlich eine gewaltige erotische Kraftentfaltung innerhalb der herrschenden Bourgeoisie. Das belegt auch das aus der Welt der Soldaten stammende Chanson von der Regimentsposaune.
Wieder ist es ein phallisch pointiertes Chanson, aber ohne satirische Schärfe und ohne Gesellschaftskritik, schon mehr der Typ des Chansons der Konzertcafes, die damals in Paris aus dem Boden schössen. Es war die Zeit einer bisher ungeahnten Ausdehnung von Paris, in dessen Vorstädten das Proletariat der immer zahlreicher werdenden Fabriken unter menschenunwürdigen Verhältnissen hauste.
Es konnte nicht ausbleiben, daß der immer größer werdende Gegensatz zwischen Arm und Reich auch im Chanson seinen Niederschlag fand.
Ein Rollkutscher vom Gare du Nord wurde nach dem Vorbild der Arbeiterchansonniers des 2. Kaiserreiches der engagierte Verteidiger der Armen und Entrechteten: Aristide Bruánt (1851-1925). Er war einer der ersten „Stars" des Künstlerkabaretts „Chat noir" des Rodolphe Salis. Er begann seine märchenhafte Laufbahn - die ihn zum Millionär machte - mit dem gesellschaftskritischen Chanson Batignolles. (Das ist ein Proletarierviertel am Montmartre.) Hier wird realistisch ein Stück Volksleben dargestellt, wie es die Zeichner Adolphe Willette (1857-1926) und Theophile Alexandre Steinlen (1859-1923) uns überliefert haben.
Von Bruant stammen auch die beiden Chansons Strichnutten und Im Bois de Boulogne. Bei ersterem ist der Moralist Bruant klar erkennbar. Ihm ist Prostitution nicht makabre Romantik, von einem Hauch Lüsternheit umgeben, sondern Entwürdigung des Menschen. Auch sein Bois de Boulogne ist keine romantische Verbrämung des Lasters. Er zeichnet die Verhältnisse kalt, kritisch, realistisch.
Leon Xanrof (1867-1953) folgt Bruant als Gesellschaftskritiker. Aber in seinem Fiaker wird schon mit der Gesellschaftskritik das Amüsement am Verworfenen, Unsittlichen spürbar.
Xanrof geißelt die bürgerliche Geldheirat mit ihren Folgen, dem Ehebruch und dem „amüsanten" Tod des alten Ehemanns. Der offene Zynismus mutet schon modern an. Das Chanson gehörte zu dem realistischen Programm der berühmten Yvette Guilbert (1868-1944) ebenso wie das folgende, die LP beschließende „Madame Arthur" aus der Feder Paul de Kocks (1793-1871), in dem der Typ der Jahrhundertwende, die ausgehaltene Frau, satirisch dargestellt wird. Die Musik zu Madame Arthur stammt übrigens von Yvette Guilbert selbst. Das Chanson ist bis heute beliebt geblieben und erklingt in einem der wenigen noch traditionellen Chansonlokale des heutigen Paris wie „Lapin agil" oder „Caveau des oubliet-tes", in denen man als Gast noch selbst mitsingt.
Wilhelm Neef (1976)

Gestaltung: Werner Klemke

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ArtikelnummerAmiga 8 45 122
ProduktnameDie Mädchen Von La Rochelle - Chansons Aus Dem Alten Frankreich
Preis9,90 €
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InterpretVarious Artists
Name - TitelDie Mädchen Von La Rochelle - Chansons Aus Dem Alten Frankreich
LabelAMIGA
MedientypLP / Vinyl 12"
Vinylgewicht pro Schallplatte140 gramm
Anzahl der Platten1
BeilagenKeine
Allgemeiner PlattenzustandGebraucht
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