Udo Zimmermann – L'Homme / Barlach-Reflexionen / Ein Zeuge Der Liebe, Die Besiegt Den Tod / Mutazioni Per Orchestra

Udo Zimmermann – L'Homme / Barlach-Reflexionen / Ein Zeuge Der Liebe, Die Besiegt Den Tod / Mutazioni Per Orchestra

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UDO ZIMMERMANN geb. 1943
Seite 1
1. L’homme
Meditationen für Orchester nach Eugene Guillevic
1970
1.        Te voici debout petit homme...
2.        Mais tu parles...
3.        Tu travailles les choses ...
4.        C’est toi *
2.        Sieh, meine Augen

Reflexionen für Kammerorchester nach Ernst Barlach
1970
1.        Adagio espressivo
2.        Quasi Adagio
3.        Agitato e Lento
4.        Adagio molto

Seite 2
3.        Ein Zeuge der Liebe, die besiegt den Tod für Sopran und Kammerorchester nach Texten von Tadeusz Rozewicz Deutsch von Günter Kunert und Karl Dedecius
1972
1.        Sie dachte, die Welt wäre traurig
2.        Wie gut. Ich kann Beeren pflücken
3.        Ich sehe die Besessenen
4.        Du weißt, ich bin da

4. Mutazioni per orchestra 1973
1.        Satz
2.        Satz
3.        Satz
4.        Satz
Roswitha Trexler, Sopran (3)
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Leipzig (1,3,4)
Mitglieder des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Leipzig (2)
Dirigenten: Adolf Fritz Guhl (1,2)
Thomas Sanderling (3)
Horst Neumann (4)
Verlag VEB Edition Peters, Leizig (1,3)
VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig (2,4)
Aufnahmen des Rundfunks der DDR, Sender Leipzig (1) 1972; (2) 1973; (3) 1974; (4) 1976

Der Name Udo Zimmermann verbindet sich für die meisten mit dem Begriff „Opernkomponist“. Das ist nicht verwunderlich. Immerhin hat der 1943 geborene Dresdner bereits vier abendfüllende Bühnenwerke vorgelegt, von denen sich „Levins Mühle“ sowie „Schuhu und die fliegende Prinzessin“ zu regelrechten Publikumserfolgen gestalteten. Sein sinfonisches und vokalsinfonisches Schaffen, mit dem er keine geringeren Erfolge erzielt hat, beweist jedoch, daß eine einseitige Festlegung des Komponisten auf das Musiktheater ungerechtfertigt ist.
Die auf dieser Langspielplatte vorgestellten Werke bieten einen Einblick in diesen Bereich seiner schöpferischen Tätigkeit. Schon nach erstem Anhören fallen einige Besonderheiten auf, in denen sich individuelle Wesenszüge der musikalischen Sprache Udo Zimmermanns deutlich abzeichnen. So waltet bei aller Unterschiedlichkeit der Themen in allen Werken ein unverwechselbarer einheitlicher musikalischer Stil vor. Typisch dafür sind einzelne markante musikalische Elementargestalten, die in den verschiedenen dramaturgischen Zusammenhängen jeweils anders ausgearbeitet wiederzuentdecken sind.
Die auffälligste verkörpert zweifellos jenes provokante, aufwirbelnde Motiv, das in „L’homme“ so jäh in die empfindungsstarke Melodik der Streicher hineinfährt, die „Barlach-Reflexionen“ wie ein aufrüttelndes Signal eröffnet und an der Spitze der „Mutazioni“ das sinfonische Geschehen im Sinne des Wortes „aufreißt“. Dieses Motiv ist nicht nur Motto, sondern unerachtet seiner aphoristischen Kürze inhaltlich-thematischer Kern des musikalischen Verlaufs, insofern es das anstachelnde, anfeuernde Moment darstellt, das durch seine schreiende Widersprüchlichkeit und Widersetzlichkeit das Geschehen antreibt und zuspitzt.
Es ist deshalb stets auch Grundbestandteil jener Werkabschnitte, in denen die Widersprüche durch Auseinandersetzung ausgetragen werden. In diesem Zusammenhang verändert es seine Gestalt: Es wird intensiver, ausführlicher, unnachgiebiger, kraftvoller. Das läßt sich schon daran absehen, daß es sich nicht mehr nur als Melodiefetzen aufblitzend zu Worte meldet, sondern vorwiegend in den Blechbläsern vielschichtig und kompakt verdichtet zu ganzen Flächen ausgearbeitet ist. Diese Blechbläser-Stellen hören sich wie aufregende, zum Tumultuarischen neigende Massenszenen an.
Damit korrespondiert die spezifische Verarbeitung und inhaltliche Umwertung dieses Motivs zum Ausdruck vitaler Turbulenz, dort nämlich, wo, wie im dritten Teil der „Mutazioni“, aufbrechende Sechzehntelketten und Läufe der Holzbläser als Lösung der voraufgegangenen Anspannungen im Hörer ein Gefühl der Gelöstheit und Befreiung hervorrufen. Eine zweite solche Elementargestalt sind die nach Intervall-Distanzen geordneten Gruppen von lang ausgehaltenen Einzeltönen, die sich zu einstimmigen melodischen Kantilenen auswachsen wie gleich zu Anfang von „L’homme“ oder wie in den „Barlach-Reflexionen“. Sie können sich aber auch zu einem engtönigen, zähen linearen Geschiebe verdichten wie im ersten Teil der „Mutazioni“ als widersprüchlicher Gegensatz zum unbändigen Aufbruch des ersten Motivs, aber auch wie im zweiten Teil, wo in sich selbst linear belebte Klangepisoden eine „flächige“ Ausgestaltung davon vorführen. Diese Klangepisoden schweben gewissermaßen in den hohen Tonlagen über einem andrängenden, motorischen Zug der gezupften Streicher, der sich im zweiten Teil der „Mutazioni“ bis zu einem sechsunddreißigstimmigen Kanon im Halbtonabstand auftürmt. Auch dieser unaufhaltsam vorantreibende Pizzicato-Zug der Streicher bildet für sich selbst eine jener unverwechselbaren Elementargestalten.
In ihnen verkörpern sich, verfolgt man das sinfonische Geschehen daraufhin im einzelnen, die Keime für Widersprüche, die, gegeneinander ins Treffen geführt, sich zu packenden Konfliktgestaltungen auswachsen und zuspitzen. So sind sie als Keime ganz an der Spitze der „Barlach-Reflexionen“ aufgestellt: auffahrendes Blechbläser-Motiv, andrängendes Streicher-Pizzicato, zwei zögernd ausgehaltene und pendelnde Töne im Halbtonabstand, die sich allmählich zur Melodie ausweiten. Alle weiteren kunstvollen Ausgestaltungen dieses Werkes sind auf diese Elementargestalten rückführbar. Auch darin erweist sich das hohe kompositorische Können, ganz zu schweigen von der reichen Klangphantasie, die sich daraus entfaltet.
Die Lösungen, die Zimmermann den konflikthaften Geschehnissen seiner Werke im „Finale“ abgewinnt, bedienen sich keiner pathosgeladenen Lob- und Preisgesangshymnik. Sie führen nichts Endgültiges vor. Ihr Anliegen besteht vielmehr darin, eine von kräftiger Emotionalität durchpulste Nachdenklichkeit zu erzeugen. Seine Werke entlassen den Hörer mit einer produktiven Einstellung, deren erstes humanes Bewährungsfeld Denken, Nachdenken, Überdenken ist, ehe sie sich in aktivem Tatverhalten sichtbar und greifbar manifestiert. In diesem Sinne wirkt diese Musik konstruktiv. Mit der brennenden Leidenschaftlichkeit der Töne und Klänge verbindet sich ein perfekt durchrationalisierter Aufbau. Aus der Konsequenz, mit der er ausgeführt ist, entnimmt der Hörer intuitiv zugleich einen Eindruck von großer geistiger Disziplin.
Eine weitere Besonderheit von Zimmermanns Musik zeigt sich in der impulsgebenden Rolle des dichterischen Wortes. In den „Róziewicz-Gesängen“ liegt sie offen auf der Hand, insofern die Singstimme einbezogen ist. Aber auch die rein sinfonischen Stücke „L’homme“ und „Barlach-Reflexionen“ besitzen eine mittelbare Verbindung zum dichterischen Wort. Keinesfalls dürfen diese Zusammenhänge jedoch so gedeutet werden, als läge dem Musikwerk die Dichtung wie ein dispositioneller Ablaufplan zugrunde, wo man Zeile für Zeile und Wort für Wort deren musikalische Übersetzung nachlesen kann. Sondern es sind Anliegen, Empfindung, Geist und Atem der Poesie, denen sich Zimmermanns Musik verpflichtet weiß. Die von den Texten angeregten Haltungen sind es in erster Linie, die sich bei ihm in musikalischer Gestaltung und damit in völlig eigenständiger künstlerischer Artikulation ausdrücken. Wie die Musikwerke stilistisch und thematisch-inhaltlich hängen die Texte wieder unter sich wie durch einen Leitgedanken verknüpft zusammen.
Im Mittelpunkt steht der Mensch, der tätige Mensch, dessen Stimme von solcher Art ist, wie es in „L’homme“ von Eugene Guillevic heißt, „daß die Felsen verstummen und die sehr großen Wälder“, der Mensch, der die Dinge arbeitet, herstellt und weiß, was er will. Über das parteiliche Engagement dieses Menschenbildes bleiben keine Fragen offen. Er ist nicht Weltveränderer schlechthin, sondern sein Tun und Wirken sind Bestandteil jenes Menschheitsstrebens nach einer menschenwürdigen Ordnung. Eine Rundfunkrede Ernst Barlachs, gehalten am 23. Januar 1933, unmittelbar vor der Machtergreifung Hitlers, spricht dies aus: „Und da stehen dann die schönen Gestalten der besseren Zukunft um mein Lager. Noch starr, aber von herrlicher Schönheit, noch schlafend - aber wer sie erweckte, der schüfe der Welt ein besseres Gesicht.“ Daher kann es auch für die „Mutazioni“ keine andere Deutung geben, wennschon sie nicht von einem genannten Text inspiriert und einfach mit „Veränderungen“ bezeichnet sind. Es lohnt sich, diesen vielschichtigen Verbindungen beim Anhören dieser Platte einmal nachzuspüren. Daraus können Einsichten gewonnen werden, die sich auf das Verständnis zeitgenössischer Musik generell förderlich auswirken.
Prof. Dr. sc. Gerd Schönfelder (1977)

Gestaltung: Manfred Kempfer
Foto: Hansjoachim Mirschel
Titelseite: Günther Honig, Komposition in Rot, Detail

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ArtikelnummerNova 8 85 122
ProduktnameUdo Zimmermann – L'Homme / Barlach-Reflexionen / Ein Zeuge Der Liebe, Die Besiegt Den Tod / Mutazioni Per Orchestra
Preis24,90 €
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InterpretVarious
Name - TitelUdo Zimmermann – L'Homme / Barlach-Reflexionen / Ein Zeuge Der Liebe, Die Besiegt Den Tod / Mutazioni Per Orchestra
LabelAndere
MedientypLP / Vinyl 12"
Vinylgewicht pro Schallplatte140 gramm
Anzahl der Platten1
BeilagenKeine
Release-Datum1977
Allgemeiner PlattenzustandGebraucht
Zustand TonträgerVery Good + (Sehr gut)
Zustand CoverVery Good + (Sehr gut)
PlattenreinigungReinigung mit Plattenwaschmaschine Double Matrix Professionel Sonic (Clearaudio)

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